Freitag, 26. März 2010

Marketing-Trends oder Internet versus Papier?

Im touristischen Marketing zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab. Der klassische Angebotskatalog und die Anzeige in der Zeitung bekommen verstärkt Konkurrenz aus dem digitalen Bereich - hier einige Thesen zur erfolgreichen Medienauswahl.
Hat der klassische touristische Prospekt im Zeitalter des Internets überhaupt noch seinen fixen Platz im Marketingmix? Zugegeben, die Frage ist drastisch formuliert, jedoch durchaus inhaltlich berechtigt. Immerhin belegt das Internet als Reiseinformationsquelle der Österreich-Urlauber mit Abstand Platz Eins (Quelle Tourismus-MONitor Austria 2008/09; siehe Kasten „Informationsverhalten im Wandel“). Fakt ist überdies: Das Repertoire der Marktkommunikation hat sich durch das Medium Internet um eine Vielfalt an Spielformen erweitert. Die Marketingbudgets bleiben hingegen begrenzt – ein Umstand, der die Markenbaumeister im Tourismus dazu veranlasst, einen kritischen Blick auf die Medien für ihr Marketing zu werfen.

Operation Querbeet
„Die Kernwerte der Marke müssen bei den Zielgruppen auch ankommen. Es ist wichtig, dass wir sowohl die bestehenden wie auch die innovativen Kommunikationskanäle zum Kunden noch intensiver nutzen – und neue Netzwerke wie z. B. Social Networks im Internet besetzen, um den Kunden immer dort zu erreichen, wo er sich gerade befindet“, sagte Thierry Antinori, Marketing-Chef der Lufthansa, gegenüber der österreichischen Tageszeitung Kurier. Der jüngst von einer internationalen Jury zum Chief Marketing Officer des Jahres gekürte Marktstratege tritt für die Zielgruppenschärfung von Kommunikationsmaßnahmen ein: „Die Herausforderung ist es, den Kunden auf jeweils adäquate Weise via sämtliche Kanäle anzusprechen.“ Die gewünschte Effizienz steckt im Cross Media Marketing, der durchdachten Verknüpfung von virtuellen und realen Kommunikationskanälen, querbeet über alle Mediengattungen.
Zur Auswahl stehen die Klassiker wie Anzeigen in Printmedien, Plakate und andere Außenwerbung, Radio- und TV-Spots, Kataloge, Broschüren & Co. sowie eine ebenso breite Palette an Möglichkeiten im Internet. Noch hat das bedruckte Papier bei der Gewichtung der Medien im Marketingmix die Nase weit vorn. Laut Mediaanalyse von Focus Research generierten die Printmedien einen Anteil von 74 Prozent des Werbekuchens der österreichischen Tourismusregionen (ohne Hotels) im Werbejahr 2009. Der Anteil der Online-Medien gibt sich zwar mit sieben Prozent noch bescheiden, die Wachstumsraten lassen jedoch auf einen Höhenflug der Internet-Werbung schließen. Immerhin investierten die österreichischen Tourismusverbände 2009 drei Mal soviel in den werblichen Online-Auftritt wie im Jahr zuvor. Bei einer Fortsetzung dieses Aufwärtstrends könnte das WWW demnächst mit Radio- und Außenwerbung gleichziehen (siehe Kasten „Ein Stück vom Werbekuchen“).

Killt das Internet den Printstar?
Wissenschafter prognostizieren, dass sich das Internet im Mediensektor noch schneller durchsetzt, als bisher erwartet. Bereits in zehn Jahren werden Web-Angebote mindestens ebenso hohe Werbeeinnahmen generieren wie die Zeitungs- und Magazinbranche, so eine Studie der Fachhochschule Mainz.
Der Trend zur Nutzung virtueller Kanäle ist allgegenwärtig. In der Urlaubsinformation der Österreich Werbung treffen täglich Anfragen zum Urlaubsland Österreich ein. Hier zeichnet sich ein wachsendes Interesse an elektronischem Informationsmaterial ab. Der Prospekt, der als pdf-Dokument am Bildschirm abrufbar ist, liegt mittlerweile hoch in der Gunst der Anfragenden. Vor allem für kurzfristige Anfragen ist der digitale Prospekt eine rasch verfügbare Grundlage für die optimale Reiseplanung. Dennoch wünscht sich ein Gutteil noch Reiseunterlagen zum Blättern, die nach wie vor per Post ins Haus flattern.
„Wir wollen definitiv auf keinen Kommunikationskanal verzichten“, sagt auch Ute Hödl, Pressesprecherin von Steiermark Tourismus. Sicher, der Auftritt im Internet muss perfekt sitzen, aber auch jener auf Papier. „Printprodukte sind effiziente Instrumente, um die potenziellen Gäste überhaupt auf die Website zu holen.“ Virtuelle und reale Marketingwelten sollten sich gegenseitig ergänzen bzw. befruchten und beim Gast auf jeden Fall als Einheit ankommen.

Aufgabenteilung gefragt
Nicht die Frage „Internet oder Papier?“ steht laut Hödl zur Diskussion, sondern: In welchem Medium kommen welche Inhalte am wirkungsvollsten zur Geltung. So teilen sich die einzelnen Marketingkanäle einfach die verschiedenen Aufgaben der Kommunikation. In der steirischen Landestourismusorganisation lässt man zum Beispiel noch fleißig drucken und vertraut in zwei Bereichen auf die Papierprodukte: in der Verkaufsförderung und in der Imagebildung.
Vier mal jährlich erscheint ein Verkaufsbeileger für österreichische Printmedien in einer durchschnittlichen Auflage von 1,5 Millionen Stück. Den Lesern fallen mit den Prospekten konkrete Buchungsanregungen buchstäblich in die Hände. Zusätzlich gestaltet die Marketingschmiede in der Steiermark themenspezifische Verkaufsbroschüren als Beilage zu Special Interest Medien.
Eine andere Drucksortenschiene versteht sich als Instrument zur Kommunikation der „inneren“ Werte der Marke: In „ST.IL“, der Steiermark Illustrierten, ist Platz für Geschichten rund um den Urlaub. Wie der Titel verheißt, hat das Hochglanzprodukt, das zwei Mal jährlich in einer Auflage von 50.000 Stück aus der Druckerpresse kommt, Magazincharakter. Statt Werbesprache finden sich recherchierte, journalistische Texte sowie die passenden Bildwelten auf den vierfarbigen Seiten. „Dieses Reisemagazin punktet ganz im Sinn des Image-Transports“, meint Hödl, bietet es den Lesern durch die spannenden Inhalte doch einen ungleich höheren Nutzen als reine Werbung. Das „Magazin für Kenner und Liebhaber der Steiermark“ kann auch im Web bestellt werden und liegt bei den Partnern wie Hotels und der Gastronomie auf.

Prospekt als Stimmungstransporter
Ob saisonale Kataloge großer Reiseveranstalter oder Imagebroschüren von Destinationen, Tatsache ist: Vielerorts schrumpfen die Druckauflagen der „Werke“ aus dem Tourismus. Dies bestätigt auch Karl Reiter Junior, Geschäftsführer des Tiroler Posthotel Achenkirch. Im Reiter’schen Hotelimperium, zu dem neben dem Stammhaus in Tirol auch Resorts in den burgenländischen Orten Stegersbach und Bad Tatzmannsdorf zählen, sinkt jedoch nur die Stückzahl, die Printprodukte selbst bleiben bestehen. „Die 60-seitige, jährlich aktualisierte Imagebroschüre aus dem
5-Sterne-Wohlfühltempel versteht sich als aussagekräftige Visitkarte vor allem für Erstanfragen. Unter der Vorgabe „hochwertig“ – vom Papier über die Fotos bis hin zur Textierung – transportiert der Prospekt Qualität und Stimmung im Haus immer noch am besten“, ist Reiter überzeugt.

Die Stammgäste des Posthotel Achenkirch erhalten ein anderes Druckprodukt: die Kundenzeitschrift, gefüllt mit den Neuigkeiten aus dem Haus. Streuverluste im weiteren Sinn gibt es beim Thema „Versand von Drucksorten“ nicht, denn die Direct Mailings auf dem Postweg erreichen tatsächlich nur Stammgäste und potenzielle Kunden, die bereits ihr Interesse bekundet haben. Für diese Zwecke lohnt sich der Kostenaufwand durchaus, meint Reiter.
Von allgemeingültigen Regeln im Marketing hält Reiter ohnehin nichts: „Jeder Betrieb muss seinen unverwechselbaren Stil in der Vermarktung finden, sei es bei der Positionierung oder bei der Auswahl der Kommunikationskanäle“, meint er. Die Erfahrung lehrt, dass gerade antizyklische Maßnahmen, die jedem Trend widersprechen, oft von Erfolg gekrönt sind.

Internet-Werbung ein Muss
Im Zweifelsfall doch eher beim Drucken einen Gang zurück zu schalten und verstärktes Augenmerk auf die Markenführung direkt im Internet zu legen, empfiehlt Lukas Krösslhuber, Geschäftsführer der Region Kitzbüheler Alpen. Warum? „Die bloße Präsenz auf diversen Internet-Plattformen entwickelt sich zur Selbstverständlichkeit und stellt daher keinen entscheidenden Wettbewerbsvorteil mehr dar“, sagt er. Um sich im virtuellen Verkaufsraum abzuheben und das Markenprofil zu schärfen, sei daher im Internet auf ähnliche Maßnahmen zu setzen wie in der Wirklichkeit. „Das gesamte Paket der Online-Kommunikation vom Banner bis zum Suchmaschinen-Marketing bis hin zu Adverts wird in fünf bis zehn Jahren ‚state of the art’ sein“, versichert Krösslhuber.

Aus seiner Sicht hat die Vermarktung via so genannte Offline-Medien weiterhin ihre Berechtigung, übernimmt jedoch eine neue Aufgabe: „Der Verkaufscharakter und detaillierte Informationen werden wegfallen, denn diese Funktionen erfüllt das Internet ohnehin besser.“ So können sich die Vermieter zum Beispiel das gedruckte Unterkunftsverzeichnis getrost sparen. Auf Themen fokussierte Imagewerbung macht aber zusätzlich auch in Zeitungen und auf Plakatwänden Sinn. Und die journalistisch aufbereitete Story in einem Hochglanzmagazin, die ein riesiges Zielpublikum erreicht, kann das Internet auch bis auf Weiteres nicht ersetzen.
In der Region Kitzbüheler Alpen investiert man zwar nicht mehr in den Druck einer aufwändig gestalteten Imagebroschüre, greift jedoch auf Print-Produkte der Tirol Werbung und der einzelnen Anbieter zurück. So ganz ohne geht es dann doch nicht. Vor Ort hält der Gast zumindest kleinere Drucksorten wie den Folder vom Skigebiet auch lieber in der Hand als einen unansehnlichen Computer-Ausdruck, weiß Krösslhuber um die Stärken von Druckwerken Bescheid.
Und das Fazit? Der Prospekt hat zwar eine Menge Konkurrenz bekommen, Print-Inseln auf gutem, alten Papier werden aber in reduzierter Form bzw. in zeitgemäßer Version zunächst sicher bestehen bleiben.
Text: Alexandra Gruber


Die besten Experten-Tipps für die richtige Mischung der Maßnahmen im Tourismus-Marketing:

• Die Marke stellt nach wie vor den wichtigsten Parameter. Deren Profil und Werte zu stärken muss Aufgabe sämtlicher Medien (Print und Internet) sein.
• Die Herausforderung besteht darin, potenzielle Gäste jeweils dort zu erreichen, wo sie sich gerade befinden. Dazu besetzt man am besten ein möglichst umfangreiches Netz an Kommunikationskanälen (Cross Media Marketing).
• Zwecks einheitlichem Markenbild sollte sich eine einzige Marketinglinie über sämtliche Media-Gattungen ziehen. Allerdings muss darauf geachtet werden, den jeweils adäquaten und medienspezifischen Ton zu finden.
• Die verschiedenen Medien teilen sich unterschiedliche Aufgaben der Kommunikation, hier einige Stärken von Internet/Print:
o Informationen (Betten, Packages, Pistenkilometer, Öffnungszeiten, Preise und vieles mehr) über eine Destination/einen Betrieb sind im Rahmen des Webauftritts am besten aufgehoben.
o Verkaufsförderung online hat sich etabliert
o Drucksorten, Anzeigen & Co können die Markenwerte ausgezeichnet vermitteln und erfüllen die Funktion, die Konsumenten auf die Website zu holen




Ein Stück vom Werbekuchen

Klassische Werbespendings der österreichischen
Tourismusregionen 1-11 2009
Kanal in Prozent
TV 1,47
Radio 7,74
Außenwerbung 9,11
Online 7,02
Gelbe Seiten 0,82
Kino 0,05
Print 73,79


Klassische Werbespendings der österreichischen
Tourismusregionen 1-11 2008

Kanal in Prozent
Online 3,31
Print 70,94

Quelle: www.at.focusmr.com, Media Focus 2009, Jänner-November 2009 und Jänner-November 2008



Informationsverhalten im Wandel

Wo die Gäste des Urlaubslands Österreich ihre Informationen einholen.

2008/09
1. Internet (53 %)
2. Freunde/Bekannte/Familie (26 %)
3. Reisebüro (23 %)
4. Prospekte/Infoblätter Unterkunft (17 %)
5. Reiseführer (15 %)
6. Prospekte Region/Land (14 %)
7. Kataloge Reiseveranstalter (10 %)
8. Tourismusinformation (5 %)
9. Werbung/Berichte in Medien (4 %)
10. Messen (1 %)

2004/05
1. Freunde/Bekannte/Familie (44 %)
2. Internet (40 %)
3. Reisebüro (16 %)
4. Prospekte Region/Land (11 %)
5. Reiseführer (10 %)
6. Prospekte/Infoblätter Unterkunft (8 %)
7. Tourismusinformation (7 %)
8. Kataloge Reiseveranstalter (6 %)
9. Werbung/Berichte Medien (4 %)
10. Messen (3 %)


Quelle: T-MONA 2004/05 und 2008/09

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