„Von reifen Ansprüchen“ und „PEGGI-Marketing (2)
„Nur etwa ein Drittel der Senioren frequentiert noch das klassische ‚Pensionistenbankerl’ im Park“, sagt Hans Schnait, Geschäftsführer von coop 50 Plus. Passivität, Desinteresse und Betreuungsbedürftigkeit ehemaliger Seniorengenerationen sind Parametern wie aktiver Lebensgenuss, Bildungshunger und Gesundheitsorientierung gewichen.
Was das für den Tourismus heißt? „Die Angebotsdesigner müssen sich einen 40- bis 45-jährigen, wohl situierten Kunden vor Augen halten“, rät Schnait. Zukunftsforscher Reiter wagt sich weiter vor: „Die Älteren fahren künftig nur dorthin, wo auch die Jungen hinkommen. Schließlich sind sie darauf erpicht, authentische Jugendlichkeit zu leben.“ Seine Annahme: Destinationen, die junge Trendsetter ansprechen und für sich gewinnen, können in der Folge bei allen Generationen punkten. Die Ansprüche ähneln jenen an die Mode: trendig wie für 20-Jährige, jedoch nicht ganz so figurbetont und nicht ganz so knallig. Besonders den österreichischen Sommerzielen täte ein Staubwedel dringend Not, fügt der gelernte Visionär Reiter hinzu.
Generationsgerecht aufbereitet
„Alt will jeder werden, aber keiner will es sein“, heißt es treffend. Ältere Menschen verfolgen heute das Ziel, möglichst lang fit und aktiv zu bleiben, körperlich wie geistig. Eine Chance für moderate Fitness- und Sportangebote wie Nordic Walking, Langlaufen und Yoga und für Gesundheitsvorsorge, die in ihrer nachhaltigen, medizinisch betreuten Ausrichtung weit über Wellness hinausreicht. Ebenfalls gefragt: geistige Herausforderung, verpackt im Sprachkurs oder in der Wissensvermittlung in Form von beispielsweise einer „Architektour“.
Die körperliche Leistungsfähigkeit verringert sich trotz Gesundheitsbewusstseins naturgemäß mit den Jahren. Gewisse körperliche Unzulänglichkeiten wie eine Sehschwäche oder ein eingeschränkter Bewegungsradius geraten dann in einen Widerspruch zur jugendlichen Lebensführung. Für die Touristiker heißt es, genau hier mit einem modifizierten Angebot anzusetzen: Abschied nehmen von Kleingedrucktem in den Katalogen, von allzu bodennahen Betten und Sitzmöbeln, zur gefährlichen Rutschpartie neigenden Fliesenböden und einer Reihe Barrieren mehr.
„Urlaubsziele mit ausgeprägtem Servicecharakter werden das Rennen um den reifen Gast machen“, skizziert Reiter die mögliche Entwicklung. Der erfahrene Konsument schätzt Annehmlichkeit bis ins Detail: Die Buchungsbereitschaft steigt mit bequemen Features wie z. B. dem beheizten Skistall oder ganz einfachen, aber wirkungsvollen Goodies wie dem Kofferservice. Ein gutes Maß an Convenience schätzt im Übrigen auch die jüngere Generation, ebenso wie leicht verständliche und klar formulierte Botschaften.
Die Marketingteams sehen sich vor der Herausforderung, ein bedürfnisgerechtes Angebot mittels eleganter Diktion zu vermitteln, ohne am Alter anzustreifen. Wo einst „Senioren-“ draufstand, ist heute „Portion für den kleinen Hunger“, oder „Komfortliege“ oder „barrierefreier Zugang“ zu lesen. Der Lebensmitteltest, bei dem sich ein hochpreisiges Biomüsli namens „Vital plus“ durchsetzte, ausgestattet mit großen, farblich kontrastierenden Packungs-Lettern, gilt Schnait als Paradebeispiel für die Konsumhaltung einer Generation.
Undercover-Marketing
Und die vorbildlichen Beispiele aus Österreichs Tourismuslandschaft? Nun, wenn Sie bisher aufmerksam gelesen haben, wissen Sie, dass diese – zumindest offiziell – nicht existieren. Die Experten bewerten Angebote, die plakativ mit Altersbezeichnungen operieren, ja als richtig gehend kontraproduktiv. Erfolgversprechender scheint die unauffällige Ausrichtung von Angeboten und Marketing an die Bedürfnisse des älteren Publikums, damit die PEGGIs oder wie immer sie heißen, voll auf ihren jugendlichen Urlaubsgenuss kommen.
How to do
So holen Touristiker die erfahrenen Gäste mit hohen Ansprüchen an Standards und Serviceleistung ins Boot.
Angebotsgestaltung
• Bedürfnisse des reifen Marktes sondieren (Markforschung, Berater)
• seitens der „Jugend“ präferierte Produkte an die Anforderungen „älterer Generationen“ anpassen
• Convenience als Programm, z. B.:
Point-to-Point-Transport plus Kofferservice mit Förderbändern, Aufzügen, Shuttles;
„vorgewärmte“ Skiställe, Liftssessel
Beseitigung von Stolpersteinen wie Schwellen, Stufen, diffusen Lichtverhältnissen;
lesbare Schriftgrößen und Farbkontraste in Printprodukten, auf Displays und Websites;
Betten, Liegen und Polstermöbel „höher legen“, bequemer Einstieg ins Pool;
einfach bedienbare technische Geräte;
geführte Touren, betreute sportliche Aktivitäten
usw.;
In den Hotelshops z. B. Lesebrillen, Geschenke für die Enkel u. a. anbieten
Marketing und Kommunikation
• Klar und einfach formulierte Botschaften
• auf Altersangaben verzichten, stattdessen mit Signalwörtern arbeiten: Barrierefreiheit, stufenlose Erreichbarkeit, Aufzug, „Komfort-„ als Präfix für Liegen und Betten; „geräumig“ für Badezimmer und Schränke; von „Anti-Aging“ zu „Better Aging“ wechseln
gefragte Urlaubsformen
• Medical Wellness
• Erlebnis Natur, Land und Leute
• sanfter Aktivurlaub mit Langlaufen, Nordic Walking, Yoga, Schneeschuhwandern, Aqua-Sport, Höhenwandern usw.
• Studien-, Kultur- und Städtereisen
• Seminare und Kurse für Weiterbildung und Hobbys
• für den Urlaub mit Kindern (ob Enkerl oder Nachzügler): Urlaub am Bauernhof und See
Quellen: Rainer Münz, Leiter Entwicklung & Forschung Erste Bank, Hans Schnait, Geschäftsführer coop 50plus, Andreas Reiter, Zukunftsforscher, Hans Embacher, Geschäftsführer Bundesverband Urlaub am Bauernhof
Die Marktmacht der Silver Ager
• 42 % der EU-Bevölkerung werden 2020 über 50 Jahre alt sein
• In Österreich liegt der Anteil der über 60-jährigen bei 22 Prozent, 2030 wird er bei einem Drittel ankommen.
• In Deutschland leben etwa 31 Mio. Menschen über 50, 2020 werden es 37 Mio. sein.
• 51 % der deutschen Haushalte werden von Personen geführt, die über 50 sind
• Die jährliche Kaufkraft der Generation 50plus in Österreich beträgt 18,2 Milliarden Euro, das verwaltete Vermögen rd. 30 Mrd.
Quelle: coop 50 plus, Statistik Austria
Text: Alexandra Gruber
Was das für den Tourismus heißt? „Die Angebotsdesigner müssen sich einen 40- bis 45-jährigen, wohl situierten Kunden vor Augen halten“, rät Schnait. Zukunftsforscher Reiter wagt sich weiter vor: „Die Älteren fahren künftig nur dorthin, wo auch die Jungen hinkommen. Schließlich sind sie darauf erpicht, authentische Jugendlichkeit zu leben.“ Seine Annahme: Destinationen, die junge Trendsetter ansprechen und für sich gewinnen, können in der Folge bei allen Generationen punkten. Die Ansprüche ähneln jenen an die Mode: trendig wie für 20-Jährige, jedoch nicht ganz so figurbetont und nicht ganz so knallig. Besonders den österreichischen Sommerzielen täte ein Staubwedel dringend Not, fügt der gelernte Visionär Reiter hinzu.
Generationsgerecht aufbereitet
„Alt will jeder werden, aber keiner will es sein“, heißt es treffend. Ältere Menschen verfolgen heute das Ziel, möglichst lang fit und aktiv zu bleiben, körperlich wie geistig. Eine Chance für moderate Fitness- und Sportangebote wie Nordic Walking, Langlaufen und Yoga und für Gesundheitsvorsorge, die in ihrer nachhaltigen, medizinisch betreuten Ausrichtung weit über Wellness hinausreicht. Ebenfalls gefragt: geistige Herausforderung, verpackt im Sprachkurs oder in der Wissensvermittlung in Form von beispielsweise einer „Architektour“.
Die körperliche Leistungsfähigkeit verringert sich trotz Gesundheitsbewusstseins naturgemäß mit den Jahren. Gewisse körperliche Unzulänglichkeiten wie eine Sehschwäche oder ein eingeschränkter Bewegungsradius geraten dann in einen Widerspruch zur jugendlichen Lebensführung. Für die Touristiker heißt es, genau hier mit einem modifizierten Angebot anzusetzen: Abschied nehmen von Kleingedrucktem in den Katalogen, von allzu bodennahen Betten und Sitzmöbeln, zur gefährlichen Rutschpartie neigenden Fliesenböden und einer Reihe Barrieren mehr.
„Urlaubsziele mit ausgeprägtem Servicecharakter werden das Rennen um den reifen Gast machen“, skizziert Reiter die mögliche Entwicklung. Der erfahrene Konsument schätzt Annehmlichkeit bis ins Detail: Die Buchungsbereitschaft steigt mit bequemen Features wie z. B. dem beheizten Skistall oder ganz einfachen, aber wirkungsvollen Goodies wie dem Kofferservice. Ein gutes Maß an Convenience schätzt im Übrigen auch die jüngere Generation, ebenso wie leicht verständliche und klar formulierte Botschaften.
Die Marketingteams sehen sich vor der Herausforderung, ein bedürfnisgerechtes Angebot mittels eleganter Diktion zu vermitteln, ohne am Alter anzustreifen. Wo einst „Senioren-“ draufstand, ist heute „Portion für den kleinen Hunger“, oder „Komfortliege“ oder „barrierefreier Zugang“ zu lesen. Der Lebensmitteltest, bei dem sich ein hochpreisiges Biomüsli namens „Vital plus“ durchsetzte, ausgestattet mit großen, farblich kontrastierenden Packungs-Lettern, gilt Schnait als Paradebeispiel für die Konsumhaltung einer Generation.
Undercover-Marketing
Und die vorbildlichen Beispiele aus Österreichs Tourismuslandschaft? Nun, wenn Sie bisher aufmerksam gelesen haben, wissen Sie, dass diese – zumindest offiziell – nicht existieren. Die Experten bewerten Angebote, die plakativ mit Altersbezeichnungen operieren, ja als richtig gehend kontraproduktiv. Erfolgversprechender scheint die unauffällige Ausrichtung von Angeboten und Marketing an die Bedürfnisse des älteren Publikums, damit die PEGGIs oder wie immer sie heißen, voll auf ihren jugendlichen Urlaubsgenuss kommen.
How to do
So holen Touristiker die erfahrenen Gäste mit hohen Ansprüchen an Standards und Serviceleistung ins Boot.
Angebotsgestaltung
• Bedürfnisse des reifen Marktes sondieren (Markforschung, Berater)
• seitens der „Jugend“ präferierte Produkte an die Anforderungen „älterer Generationen“ anpassen
• Convenience als Programm, z. B.:
Point-to-Point-Transport plus Kofferservice mit Förderbändern, Aufzügen, Shuttles;
„vorgewärmte“ Skiställe, Liftssessel
Beseitigung von Stolpersteinen wie Schwellen, Stufen, diffusen Lichtverhältnissen;
lesbare Schriftgrößen und Farbkontraste in Printprodukten, auf Displays und Websites;
Betten, Liegen und Polstermöbel „höher legen“, bequemer Einstieg ins Pool;
einfach bedienbare technische Geräte;
geführte Touren, betreute sportliche Aktivitäten
usw.;
In den Hotelshops z. B. Lesebrillen, Geschenke für die Enkel u. a. anbieten
Marketing und Kommunikation
• Klar und einfach formulierte Botschaften
• auf Altersangaben verzichten, stattdessen mit Signalwörtern arbeiten: Barrierefreiheit, stufenlose Erreichbarkeit, Aufzug, „Komfort-„ als Präfix für Liegen und Betten; „geräumig“ für Badezimmer und Schränke; von „Anti-Aging“ zu „Better Aging“ wechseln
gefragte Urlaubsformen
• Medical Wellness
• Erlebnis Natur, Land und Leute
• sanfter Aktivurlaub mit Langlaufen, Nordic Walking, Yoga, Schneeschuhwandern, Aqua-Sport, Höhenwandern usw.
• Studien-, Kultur- und Städtereisen
• Seminare und Kurse für Weiterbildung und Hobbys
• für den Urlaub mit Kindern (ob Enkerl oder Nachzügler): Urlaub am Bauernhof und See
Quellen: Rainer Münz, Leiter Entwicklung & Forschung Erste Bank, Hans Schnait, Geschäftsführer coop 50plus, Andreas Reiter, Zukunftsforscher, Hans Embacher, Geschäftsführer Bundesverband Urlaub am Bauernhof
Die Marktmacht der Silver Ager
• 42 % der EU-Bevölkerung werden 2020 über 50 Jahre alt sein
• In Österreich liegt der Anteil der über 60-jährigen bei 22 Prozent, 2030 wird er bei einem Drittel ankommen.
• In Deutschland leben etwa 31 Mio. Menschen über 50, 2020 werden es 37 Mio. sein.
• 51 % der deutschen Haushalte werden von Personen geführt, die über 50 sind
• Die jährliche Kaufkraft der Generation 50plus in Österreich beträgt 18,2 Milliarden Euro, das verwaltete Vermögen rd. 30 Mrd.
Quelle: coop 50 plus, Statistik Austria
Text: Alexandra Gruber
hlumamanfred - 3. Sep, 15:00