„Erweiterte Realität als Onkel Doktor“ oder „Telemedizin für Astronauten“

Es klingt wie eine Szenenbeschreibung aus einem Science-Fiction-Film: der
helfende Laie aktiviert in medizinischen Notfällen einen elektronischen Helfer und stellt damit die richtigen Diagnosen und rettet den Kranken oder Verletzten.

Doch die Realität beginnt die Utopie einzuholen. Ein neues, von der europäischen Raumfahrtorganisation ESA entwickeltes Augmented-Reality-System stellt Astronauten medizinisches Sofortwissen bereit. Sie brauchen lediglich einen Datenhelm aufzusetzen und erhalten bei medizinischen Diagnosen oder sogar bei Operationen 3D-Unterstützung, berichtet die ESA.
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Das “Computer Assisted Medical Diagnosis and Surgery System” (CAMDASS) ist ein tragbarer Augmented-Reality-Prototyp. Bei der Augmented Reality (AR) – zu deutsch „Erweiterte Realität“ - wird die reale mit der virtuellen Welt kombiniert, indem das tatsächliche Blickfeld des Trägers präzise um Ebenen computergenerierter Darstellungen ergänzt wird.
Noch kommt CAMDASS derzeit einzig bei Ultraschall-Untersuchungen zum Einsatz, es lässt sich im Prinzip aber auch mit anderen Diagnose- und Behandlungsverfahren kombinieren. Die Wahl fiel auf Ultraschall, da es sich hierbei um eine vielseitige, effiziente Diagnosetechnik handelt, die auf der internationalen Raumstation ISS auch bereits Anwendung findet.
Zukünftige Astronauten, die sich weiter in den Weltraum hinaus wagen, müssen in der Lage sein, sich gegenseitig zu behandeln. Je nach Entfernung von unserem Heimatplaneten ist der Funkverkehr mit Experten auf der Erde entweder völlig unmöglich oder aber mit langen Signallaufzeiten verbunden.
„Die Crew verfügt zwar über einen gewissen Grad an medizinischem Fachwissen, dennoch können Astronauten nicht sämtliche potentiell notwendigen medizinischen Verfahren im Vorfeld erlernen und trainieren“, so der Biomedizin-Ingenieur Arnaud Runge, der das Projekt bei der ESA betreut. CAMDASS verwendet einen Stereo-Datenhelm und ein Ultraschallgerät, das über eine Infrarot-Kamera verfolgt wird. Der Patient wird mittels Markern überwacht, die an der zu untersuchenden Körperstelle angebracht sind.
Ein Ultraschallgerät ist mit CAMDASS verbunden, und über dieses System kann der Körper des Patienten von der Kamera „registriert“ und das Blickfeld dem jeweiligen Nutzer angepasst werden. Im Datenhelm werden 3D-Hinweise eingeblendet, die den Anwender anleiten. Diese werden durch den Abgleich der entsprechenden Körperstellen eines „virtuellen Menschen“ und des registrierten Patienten generiert.

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So weiß der Nutzer, wo er den Ultraschallkopf ansetzen und wohin er ihn führen muss. Ultraschall-Referenzbilder geben dem Anwender Hinweise darauf, was er im Ultraschall sehen sollte, und die Spracherkennung sorgt dafür, dass er bei der Untersuchung beide Hände frei hat.
Medizinstudenten und Krankenpflegeschüler, das belgische Rote Kreuz und Pflegepersonal an der Brüsseler Universitätsklinik Saint-Pierre haben den Prototypen auf seine Anwendbarkeit hin getestet.


Auch ungeübten Anwendern gelang auf diese Weise die Durchführung relativ schwieriger Behandlungen ohne weitere Hilfe sowie die richtige Positionierung der Ultraschallsonde.
„Anhand dieser Erfahrungen wollen wir das System weiter verbessern - dazu gehört beispielsweise ein leichterer Datenhelm und die weitere Miniaturisierung des Prototyps“, so Arnaud. „Sobald die Einsatzreife des Systems gegeben ist, kann es auch als satellitengestütztes Telemedizin-System verwendet werden. Zudem könnte es beispielsweise als autarkes Tool bei Notfalleinsätzen gute Dienste leisten.“
Arnaud weiter: „Es wäre interessant, das System in abgelegenen Regionen, in Entwicklungsländern oder vielleicht in der Concordia-Antarktisstation weiter testen zu können. Irgendwann könnte es dann auch im Weltraum eingesetzt werden.“
Die vom ESA-Grundlagenforschungsprogramm finanzierte Entwicklung des Prototyps erfolgte durch ein Konsortium unter Führung der belgischen Space Applications Services NV mit Unterstützung der TU München und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).

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