Wer teilt, hat mehr - Share Economy im Tourismus (2)

Mehr Schärfe im Profil
Wottawa rät Hotelbetreibern, sich klarer zu positionieren. Je pointierter, spezieller und hochwertiger die Leistung, desto weniger Gäste würden sie an das Couchsurfing verlieren. Vor allem dort, wo das Angebot austauschbar ist, droht ihrer Meinung nach die Gefahr, verdrängt zu werden. „Die Hotellerie ist nicht gut beraten, etwas zu kopieren, was sie nicht ist.“ Beherbergungsangebote der Share economy seien eigenständige Produkte, die sich bewusst von dem differenzieren, was im Hotel angeboten wird. „Wer die Couch sucht, möchte kein Fünf-Sterne-Bett.“ Hotels sollten deren Motivation aber durchaus ernst nehmen – was sie auch täten. Daher entstünden mehr kleinteilige, intime und persönliche Angebote.

Authentische Klischees
Eines davon ist das Angebot Chez Cliché, das den Wunsch nach Privatsphäre aufgreift und die Lücke zwischen dem klassischen Hotel und der Appartementvermietung schließen möchte. Jedes der acht Appartements ist nach den Eigenschaften eines anderen fiktiven Charakters designt. Die Wohnung des Kulturjournalisten Beat etwa ist mit Schallplatten tapeziert, inmitten des Retro-Chics liegt ein Gitarrenkoffer, eine Discokugel übernimmt die Beleuchtung. Sein fiktives Profil auf der Webseite verrät neben seinem Werdegang auch, wie dieser Beat ungefähr aussieht, seine Leidenschaften und wo diese in Wien am besten ausgelebt werden können. „Wir treiben den Wunsch nach Authentizität auf die Spitze“, lacht Alexander Sprick, der Geschäftsführer von Chez Cliché. „Wir wollen das Gefühl vermitteln, man kommt nicht als Tourist in eine fremde Stadt, sondern wohnt bei jemandem, den man kennt.“ Besonders wichtig sei es, eine persönliche Beziehung zum Gast herzustellen. Sprick bespricht schon vorab, was die Gäste wünschen, holt sie vom Flughafen ab und verbringt schon mal die Freizeit gemeinsam mit ihnen. „Wir geben den Menschen authentische Tipps jenseits der klassischen Sehenswürdigkeiten und schicken sie in Restaurants, Bars oder Bäckereien, wohin wir auch gerne gehen.“

Kenne deine Mission
„Das wertvollste Gut in der Tourismusindustrie ist nicht das Hotel, sondern der Gast – und in diesen müssen Sie investieren“, rät Dahmen der Branche. „Zimmer und Bett kann man nachbauen, den Kunden nicht.“ Das Ziel sollte sein, dass sich der Gast weniger als Fremder fühlt. Außerdem sei es wichtig, zu wissen: Was ist die Mission meiner Marke? Und wie könne sie dem Gast dabei helfen, sich selbst zu verwirklichen? Was der Gast außerhalb des Hotels dafür benötige, ließe sich auf Basis der Share economy leichter realisieren. Anstatt Leistungen selbst anzubieten,
verbessern Kooperationen das Erlebnis für den Gast. „Der Kerngedanke, Dinge zu verbinden, muss neu interpretiert werden“, sagt Dahmen.

Share and Ride
Auch im Bereich der Mobilität rentiere es sich, mit Partnern aus der Region zusammenzuarbeiten. „Wer einen Mobilitätstrend erkennt, sollte seinem Publikum für die Anreise ´nachhaltige Systemlösungen anbieten“, empfiehlt Wottawa und verweist auf den gemeinsamen Shuttleservice der Hotels in Obertauern. ein Taxiunternehmen der Region holt die Gäste zum Pauschalpreis vom Flughafen ab. Die Buchung
erfolgt per Mausklick, im Idealfall in Zukunft sogar über eine intelligente Smart phone-App. Vor allem in der Mobilität habe die Share economy große Chancen. Wottawa träumt von einem One-Way-Mobility-Ticket, einem einzigen Fahrschein, der Bahn und Flug, Carsharing und Nahverkehr miteinander verschränken könnte. eine App dazu informiert über Abfahrtszeiten und Anschlüsse, die günstigsten Preise und das Wetter. Individuelle Lösungen wie diese würden den Tourismus nachhaltig positiv beeinflussen, meint sie.

What’s App?
Onlineplattformen und Smartphone-Apps bergen vor allem wegen ihrer Möglichkeiten des Referenzierens großes Potenzial, den Tourismus noch mehr zu individualisieren. Während etwa das soziale Netzwerk TravBuddy.com Reisende untereinander vernetzt, ermöglicht es die Smartphone-App UrbanBuddy.com, direkt mit einheimischen in Kontakt zu treten. Das Motto lautet: „Finde das Beste eines Ortes, frage einen Local.“ Spannend würden diese Services werden, wenn sich die Informationen nach den eigenen Interessen richten würden. „Ein einheimischer oder Insider mit einem ähnlichen Profil wie meinem wird mir eher empfehlen können, was ich sehen möchte, als ein unpersönlicher Reiseführer“, sagt Wottawa. In Österreich würden Apps aber bisher eher auf dem klassischen Weg eines Travelguides durch Destinationen führen; personalisierte Apps würden noch fehlen.

Treue durch Transparenz
Hotels müssen sich auch die Frage stellen, wie sie mit den Inhalten umgehen, die ihre Besucher im Internet teilen. Offenbar wollen Menschen ihr Urlaubserlebnis anderen zeigen, meint Wottawa. Diese hohe Bereitschaft zum Sharing solle gefördert werden. Wenn Gäste ihren Aufenthalt im Internet als zufrieden bewerteten, würde sich das auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Tourismusbetriebes niederschlagen, sagt sie. War ein Gast hingegen unzufrieden, beschwert er sich nicht mehr nur an der Rezeption. er erklärt detailreich auf Facebook, was falsch gelaufen sei, oder vergibt eine schlechte Note auf einem der zahlreichen Bewertungsportale. „Wenn ich als Hotelier nicht auf meine Bewertungen im Netz reagiere, leidet meine Präsenz darunter“, sagt Kettner. „entweder beklage ich den Autonomieverlust oder ich profitiere von dem Feedback.“ Wie sich Hotels dem real-digitalen Leben der Menschen am besten anpassen können, beschreibt das Handbuch „Hotel der Zukunft 2014“. Das von der WKO und dem Zukunftsinstitut Österreich herausgegebene Arbeitsbuch ortet im Trend des digitalen Teilens die große Chance, mehr über die Bedürfnisse der Menschen zu erfahren. Wer soziale Medien, Blogs und Chats gezielt adressiert, kann von diesem Wissen profitieren und Kunden binden.

Dieser Artikel ist auch im bulletin, dem Fachmagazin für die touristische Praxis der Österreich Werbung, Ausgabe 04/05 2014, erschienen.

Mehr Texte, Bilder und Töne von Florian Wörgötter finden Sie hier: http://phonographix.wordpress.com/

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