Dienstag, 30. August 2011

„Eine unendliche Geschichte” oder „Gebt den Ladenschluss frei”

Es ist eine fast schon unendliche Geschichte: die Diskussion über die Ladenschlusszeiten in Österreich. Mich verfolgt sie jetzt als Mitglied der schreibenden Zunft seit über 30 Jahren. Zum Glück hat sich in dieser Zeit doch etwas bewegt – die Geschäfte dürfen nun allgemein länger offenhalten, sei es Abends an Wochentagen als auch Samstagnachmittag. Sonn- und Feiertag müssen die Rollbalken unten bleiben, einzige generelle Ausnahme für alle Betriebe ist der umstrittene 8. Dezember.
Zahlreiche Ausnahmen gibt es allerdings. In Tourismusgebieten dürfen die Geschäfte auch am Sonntag geöffnet haben. Ebenso auf Bahnhofsgrundstücken oder im Lebensmittelbereich mit besonderen Konzessionen (Bäckerei und ähnliches). Wie es unzählige türkische Kleinstbetriebe schaffen, die Kundschaft auch sonntags mit Lebensmittel versorgen zu dürfen, erfreut immer wieder, bleibt aber ungeklärt. Übrigens alles kein Vergleich zum nahen Ausland, wo es im 3. Jahrtausend offenbar kein Problem ist, dass die Ladenbetreiber weitgehend selbst entscheiden, wann sie geöffnet halten und wann nicht.
Wer einen Hupfer nach Tschechien oder Ungarn macht, erlebt dort die zeitgemäße Freiheit des Kunden. In Italien haben große Einkaufszentren quer durchs Land bis zu sieben Tage geöffnet, je nach Standort auch am Sonntag bis zu 22:00 Uhr. Kleine Geschäfte haben quer durch Europa – leider nicht in Österreich – oft bis Mitternacht offen. Das funktioniert, weil sich jeder große und kleine Händler ziemlich genau überlegt, wann und ob es sich auszahlt, den Rollbalken oben zu halten.
Eigentlich ist es einfach: Jeder soll aufsperren dürfen, wann und wie lange er will. Es gibt ausreichend viele Gesetze, die die Arbeitnehmer durch eine Gesamtarbeitszeit nicht nur schützen, sondern ihnen andererseits auch entsprechend mehr Geld garantieren.
Was in der Diskussion auch oft vergessen wird: die Freigabe bedeutet nicht, aufsperren zu müssen. Kein guter Kaufmann wird nach einer Probezeit weiter aufsperren, wenn es sich nicht rechnet.
Nun hat Shoppingcenter-Betreiber Richard Lugner (Lugner City) gemeinsam mit anderen Kaufleuten eine Verfassungsklage eingereicht, um eine gesetzliche Ausweitung der Ladenschluss-Zeiten in Österreich am Sonntag zu erreichen. Ob es ihm gelingt, sich gegen die unheilige Allianz zwischen Kirche, Gewerkschaft, Wirtschaftskammer sowie diversen anderen Interessensgruppen durchzusetzen, bleibt offen. Die Regierung hat jedenfalls schon abgewunken – die Wochenendruhe sei „für die Erholung und die Familie wichtig“. Damit jedoch unsere Freizeitgesellschaft ihre Erholung erleben kann, arbeiten viele Menschen am Wochenende freiwillig (nicht kostenlos). Für einen Skilehrer im Winter oder einen Bergführer im Sommer ist Wochenendarbeit ein wichtiger Teil des Einkommens. Und der Greissler im Tal darf dann nicht offen halten?Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer, der für Lugner eine Expertise erstellte, meint, es widerspreche dem Recht auf Erwerbsfreiheit, am Sonntag geschlossen halten zu müssen.
Und je mehr Sonntagsarbeit es in der Gesellschaft gäbe, desto schwieriger werde es sein, den Handel zwangsweise davon befreit zu halten.
Unterschiedlichen Quellen zufolge arbeiten derzeit 15 bis 20 Prozent der Erwerbstätigen in Österreich auch am Sonntag in unterschiedlichsten Bereichen: Krankenhäuser, Polizei, Gastronomie und Hotellerie, Flug-, Bahn-, Bus-, Seilbahn und Schiffsverkehr, Öffis, Taxis, Apotheken, Notarzt-Dienste, öffentliche und private Rettung, Künstler, Berufs- und Freiwillige Feuerwehr, Kirchen, Einzelhandel (dort, wo es schon erlaubt ist), Seilbahnen, Gas- und E-Werke, Schwimmbäder, Agrarbereich, Medienbereich, diverse Freiberufler und noch viele andere mehr.
Und warum sollte man es dann Handelsunternehmen verbieten, freiwillig auch am Sonntag geöffnet haben zu dürfen? Wenn es sich nicht rechnet, werden viele nicht auf- oder nach kurzer Zeit wieder zusperren. Auch gut, dann wäre ein endlich liberalisierter Markt um eine Erfahrung reicher.
Manfred Hluma

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