Montag, 20. Februar 2012

„Inflationäres Geschäft mit Schnäppchen“ oder „Mit Rabatt in die Pleite“

Egal ob Friseur, make up, Gastronomie, Staubsauger, Flüge, Reisen, Fotoshooting, Thermenwartung, Malerarbeiten, Thermounterwäsche, Anti-Raucherseminare, Hundebetten – es gibt kaum etwas, das inzwischen über diverse Schnäppchenportalen wie „Daily deals“, „Groupon“ „mein-deal“, „deals.de“ und zahlreiche andere nicht angeboten wird.
Als Groupon vor rund zwei Jahren am österreichischen Markt aktiv wurde, war es noch ein interessantes Angebot. Ein bis drei Schnäppchen pro Tag um etwa 50 Prozent billiger als zum Normalpreis, für das Zustandekommen der Deals wurde eine Mindestanzahl von Teilnehmern gefordert. Außerdem waren die Deals auf einen Tag begrenzt, was ihnen noch eine gewisse „Exklusivität“ gab.
Das Modell funktioniert vereinfacht so: Der Anbieter – beispielsweise ein Restaurant – bietet via Deal-Portal seine Dienstleistung um 50 Prozent billiger an. Von den verbleibenden 50 Prozent kassiert der Portalbetreiber nochmals die Hälfte. Bleiben in diesem Fall dem Wirt gerade mal 25 Prozent. Ob sich das für den Wareneinsatz ausgeht, sei dahingestellt. Vom Abdecken der weiteren Kosten für Personal, Miete, Energie etc. ganz zu schweigen.
Inzwischen ist das Geschäft mit den Deals inflationär geworden. Die Ersparnis für den Gutschein-Käufer liegt inzwischen oft schon bei 70 und auch 80 Prozent des Normalpreises. Rechnet man hier auch noch die Gebühren für das Portal weg und diverse Unkosten dazu, ist das für den Anbieter gerademal ein Nullsummenspiel.
Natürlich kann – und muss man wohl auch - man den Gutscheinvertrieb als gezielte Werbemaßnahme sehen und scharf kalkulieren. Wesentlich ist dabei jedenfalls, eine Mengengrenze zu ziehen und beispielsweise festzulegen, dass nicht mehr als 50 Gutscheine verkauft werden dürfen. Wer darauf nicht achtet, kann dann möglicherweise ein Jahr lang die Rabattkäufer abarbeiten.
Einer, dem nicht zuletzt der Gutscheinverkauf zum Verhängnis wurde, ist der Gastronom Günter Szigeti, der sein renommiertes Lokal „Zur schwarzen Katze“ in Wien-Währing nun zusperrt: „Das Fass zum Überlaufen hat aber das Desaster mit den Daily Deal-Gutscheinen gebracht. Von vielen unternehmerisch fragwürdigen Entscheidungen war das mit Abstand die dümmste, die wir je getroffen haben. Nicht nur die Bedingungen der Firma Daily Deal selbst sind, gelinde gesagt, ungünstig, viel, viel schlimmer sind die Erfahrungen mit dem Großteil der Gutscheinkäufer“, hieß es auf der inzwischen geschlossenen Homepage. Denn dass Schnäppchenjäger nicht gerade zum Stammpublikum eines auf Haubenniveau stehenden Lokals passen, liegt auf der Hand.
Wer hingegen ähnlich dem Yield-System der Fluglinien an vorhersehbare „leeren“ Tagen seine Hotelbetten auch nur um ein Viertel des Normalpreises füllt, erwirtschaftet zumindestens einen geringen Deckungsbeitrag. Und auch der Friseur, der Vormittagslücken schließen will, freut sich wahrscheinlich über wenigstens einen kleinen Zusatzumsatz. Denn wann die Käufer die Gutscheine einlösen dürfen, kann der Anbieter festsetzen bzw. nach Bedarf steuern.

Sich mit Deals in Rabattschlachten zu begeben, verändert auch das Image des Anbieters – nicht unbedingt zum Besseren. Wer beispielsweise – ein konkreter Fall – regelmäßig Schnäppchenangebote eines Malereiunternehmens findet, wird wohl kaum je zum Normalpreis dort bestellen. Kurz gesagt, auch so kann man sich seine Preise ruinieren, ganz ohne Konkurrenz.

Montag, 23. Januar 2012

„Migranten als Käuferschicht“ oder „Das BMW-Logo am Grabstein“

„Kaum zu glauben, aber noch immer verzichtet die österreichische Wirtschaft jährlich auf eine Summe von 20 Milliarden Euro. Dies beziffert exakt die Kaufkraft der rund 1,6 Millionen in Österreich lebenden Menschen mit Migrationshintergrund.“ Dieses Fazit zog Manuel Bräuhofer von der Firma „Brainworker“ beim Clubabend des Marketing Clubs Österreich (MCÖ) Mitte Jänner 2012 zum Thema „Ethnomarketing in Österreich“.

Was so plakativ gesagt eher nicht stimmen kann, denn die beschriebene Zielgruppe hortet wohl kaum Geld in dieser Menge, sondern gibt Einkünfte und Erspartes schon jetzt aus. Allerdings könnten Firmen mittels Ethnomarketing diese Konsumenten konkreter ansprechen, denn die Migranten werden von der Werbewirtschaft vernachlässigt. Und ihre Zahl entspricht immerhin in etwa der Bevölkerung von Niederösterreich. Einige Zahlen: Allein aus dem früheren Jugoslawien stammen rund 19 % der in Österreich lebenden Menschen mit Migrationshintergrund, das sind rund 740.000 Personen. Aus dem Herkunftsland Türkei leben rund 300.000 Konsumenten im Land. 35 Prozent der „neuen Österreicher“ entfallen auf die Bundeshauptstadt, davon sind rund 180.000 Muslime.

Um die Migranten – dazu zählt rund jeder fünfte Einwohner in Österreich - als Konsumenten zu gewinnen, bedarf es laut Bräuhofer weit mehr als der bloßen Übersetzung von Werbeanzeigen. Die spezifische Anpassung des Marketing-Mix an eine ethnische Community sollte aber auch nicht als Sonderbehandlung einer bestimmten Zielgruppe angesehen werden.

Die Geschäftsführung müsse bei allen Ethnomarketing-Maßnahmen dahinter stehen und die Mitarbeiter entsprechende Schulungen erfahren sowie für den Umgang mit neuen Völkergruppen sensibilisiert werden. Ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch und eine Supervision für die Beschäftigten zählen zu den nötigen Bestandteilen.
Es gehe darum, auf kulturelle und sprachliche Unterschiede einzugehen und dabei Produkte und Kommunikation zu optimieren. Zahlreiche Gründe sprechen dafür: Die überwiegend junge Zielgruppe der Migranten ist äußerst loyal, besitzt ein ausgeprägtes Prestigedenken und eine hohe Markentreue. Der Konsum von Markenartikel spielt eine wichtige Rolle, die Statussymbole gelten als Zeichen dafür, es in der neuen Heimat „geschafft“ zu haben. „Die Markentreue geht bis zum BMW-Logo auf Grabsteinen am Wiener Zentralfriedhof“ (Bräuhofer). Jeder 10. Mercedes in Deutschland wird laut Untersuchungen übrigens von einem Türken gefahren, aber nur jeder 36. von einem Deutschen.
Ein bedeutender Aspekt ist auch die überdurchschnittliche Weiterempfehlungsbereitschaft dieser Zielgruppe, die sich glaubhafte Unternehmen zu nutzen machen können.

Eine Ethnomarketing-Strategie zu fahren sollte allerdings niemals als ein kurzzeitiges Marketingprojekt abgetan werden. Vielmehr ist Ethnomarketing als Teil der gesamten Unternehmensphilosophie anzusehen. Neben der externen spielt vor allem die interne Kommunikation eine bedeutende Rolle. Bei jedem Mitarbeiter geht es dabei um Sensibilisierung, die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches sowie die Förderung interkultureller Kompetenzen.

Neben Manuel Bräuhofer waren drei Marketingverantwortliche im Bereich Ethnomarketing am Podium. „It’s not charity, it’s business!“ stellte Werner Schediwy, Marketingleiter der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien, im Voraus klar. Die „Beraterbank“ hat vor rund drei Jahren mit ihren Bemühungen im Bereich Ethnomarketing begonnen. „Es ist ein ständiges Lernen und Weiterentwickeln. Insgesamt sorgen 35 mehrsprachige Mitarbeiter in zehn Filialen für eine bessere Kommunikation und ein besseres Verständnis bei den doch sehr erklärungsbedürftigen Finanzprodukten.“

Auch worauf sich Mitarbeiter einstellen müssen, schilderte Schediwy an einem Beispiel. Potenzielle türkische Kunden kämen oft mit Verwandtschaft in die Filiale. Dann werde einige Zeit erst nur über die eigene Familie erzählt und erwartet, dass auch die Mitarbeiter von der ihrer Familie erzählen. Erst nach dieser Phase, die durchaus eine Viertelstunde oder länger dauern kann, seien sie bereit, konkret über geschäftliche Fakten wie beispielsweise eine Kontoeröffnung zu sprechen. Dafür sei es durchaus möglich, dass der gewonnene Kunde bereits am Nachmittag mit einem anderen, neuen Interessenten in der Filiale stehe.

Als ein erfolgreiches Ethno-Produkt bezeichnete Schediwy den sogenannte „Hochzeitskredit“. Dieser dient für türkische Familien der Vorfinanzierung der äußerst aufwendigen Hochzeitsfeiern, bei denen sich bis zu 1.500 Gäste in eigens dafür angemieteten Zelten vergnügen. Raiffeisen ist bei solchen Veranstaltungen als Finanzierer dann mit dem Logo auf dem Geschirr sowie Werbung beim Event präsent.

„Man muss natürlich auf die andere Emotionalität und Denkweise dieser Menschen eingehen“, sagt Schediwy: „Es ist beispielsweise nur sehr schwer möglich, einem Kunden türkischer Herkunft das Bausparen zu erklären, weil es ein solches Modell in der Türkei eben nicht gibt“. Auch bei den klassischen Werbemaßnahmen geht Raiffeisen im Ethnomarketing andere Wege: So werden in den TV-Spots in den einschlägigen Kanälen (es gibt rund 90 Ethno-Medien, von denen die Mehrheit laut Bräuhofer in „türkischer“ Hand sind) keine Schauspieler, sondern es werden die realen Mitarbeiter der Bank bei der Arbeit gezeigt. Dasselbe gilt auch für Inserate und auf Plakaten – auch dort lachen echte Raika-Mitarbeiter aus den Sujets.

Wie es die Telekomfirma Orange Austria geschafft hat „die Grenzen zu öffnen“, schilderte Marketingleiterin Elisabeth Rettl. Mit speziellen Tarifmodellen und Slogans wie „Merhaba Türkei“ oder „Zusammen sind wir mehr“ habe Orange erfolgreich den Versuch gestartet, bei ihren Zielgruppen den Wunsch nach spezieller Anerkennung zu erfüllen. Bei diesen Paketen hat Orange jeweils um die 100.000 Kunden erreichen können. Begonnen hat man damit bereits Mitte des letzten Jahrzehnts.

Dass das Tourismus-Unternehmen Blaguss sich bei den Busfahrten Richtung Osteuropa am Markt als führendes Unternehmen etablieren konnte, beschrieb Darko Selenic, Leiter der internationalen Linien bei Blaguss-Reisen. „Seit jeher fahren Gastarbeiter mit Blaguss-Bussen zu ihren Familien nach Hause. Mit gut strukturierten und qualitätsvollen Angeboten hat Blaguss von Anfang an richtig auf die Wünsche und Anforderungen der Migranten reagiert. Das Ergebnis ist eine hervorragende Reputation, die die Angebote zum Selbstläufer machen.“ Der Service des Unternehmens geht soweit, für muslimische und christliche Kunden getrennte Busse auf bestimmten Routen einzusetzen. Außerdem stammen viele Chauffeure aus den angefahrenen Zielstädten.

Dienstag, 30. August 2011

„Eine unendliche Geschichte” oder „Gebt den Ladenschluss frei”

Es ist eine fast schon unendliche Geschichte: die Diskussion über die Ladenschlusszeiten in Österreich. Mich verfolgt sie jetzt als Mitglied der schreibenden Zunft seit über 30 Jahren. Zum Glück hat sich in dieser Zeit doch etwas bewegt – die Geschäfte dürfen nun allgemein länger offenhalten, sei es Abends an Wochentagen als auch Samstagnachmittag. Sonn- und Feiertag müssen die Rollbalken unten bleiben, einzige generelle Ausnahme für alle Betriebe ist der umstrittene 8. Dezember.
Zahlreiche Ausnahmen gibt es allerdings. In Tourismusgebieten dürfen die Geschäfte auch am Sonntag geöffnet haben. Ebenso auf Bahnhofsgrundstücken oder im Lebensmittelbereich mit besonderen Konzessionen (Bäckerei und ähnliches). Wie es unzählige türkische Kleinstbetriebe schaffen, die Kundschaft auch sonntags mit Lebensmittel versorgen zu dürfen, erfreut immer wieder, bleibt aber ungeklärt. Übrigens alles kein Vergleich zum nahen Ausland, wo es im 3. Jahrtausend offenbar kein Problem ist, dass die Ladenbetreiber weitgehend selbst entscheiden, wann sie geöffnet halten und wann nicht.
Wer einen Hupfer nach Tschechien oder Ungarn macht, erlebt dort die zeitgemäße Freiheit des Kunden. In Italien haben große Einkaufszentren quer durchs Land bis zu sieben Tage geöffnet, je nach Standort auch am Sonntag bis zu 22:00 Uhr. Kleine Geschäfte haben quer durch Europa – leider nicht in Österreich – oft bis Mitternacht offen. Das funktioniert, weil sich jeder große und kleine Händler ziemlich genau überlegt, wann und ob es sich auszahlt, den Rollbalken oben zu halten.
Eigentlich ist es einfach: Jeder soll aufsperren dürfen, wann und wie lange er will. Es gibt ausreichend viele Gesetze, die die Arbeitnehmer durch eine Gesamtarbeitszeit nicht nur schützen, sondern ihnen andererseits auch entsprechend mehr Geld garantieren.
Was in der Diskussion auch oft vergessen wird: die Freigabe bedeutet nicht, aufsperren zu müssen. Kein guter Kaufmann wird nach einer Probezeit weiter aufsperren, wenn es sich nicht rechnet.
Nun hat Shoppingcenter-Betreiber Richard Lugner (Lugner City) gemeinsam mit anderen Kaufleuten eine Verfassungsklage eingereicht, um eine gesetzliche Ausweitung der Ladenschluss-Zeiten in Österreich am Sonntag zu erreichen. Ob es ihm gelingt, sich gegen die unheilige Allianz zwischen Kirche, Gewerkschaft, Wirtschaftskammer sowie diversen anderen Interessensgruppen durchzusetzen, bleibt offen. Die Regierung hat jedenfalls schon abgewunken – die Wochenendruhe sei „für die Erholung und die Familie wichtig“. Damit jedoch unsere Freizeitgesellschaft ihre Erholung erleben kann, arbeiten viele Menschen am Wochenende freiwillig (nicht kostenlos). Für einen Skilehrer im Winter oder einen Bergführer im Sommer ist Wochenendarbeit ein wichtiger Teil des Einkommens. Und der Greissler im Tal darf dann nicht offen halten?Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer, der für Lugner eine Expertise erstellte, meint, es widerspreche dem Recht auf Erwerbsfreiheit, am Sonntag geschlossen halten zu müssen.
Und je mehr Sonntagsarbeit es in der Gesellschaft gäbe, desto schwieriger werde es sein, den Handel zwangsweise davon befreit zu halten.
Unterschiedlichen Quellen zufolge arbeiten derzeit 15 bis 20 Prozent der Erwerbstätigen in Österreich auch am Sonntag in unterschiedlichsten Bereichen: Krankenhäuser, Polizei, Gastronomie und Hotellerie, Flug-, Bahn-, Bus-, Seilbahn und Schiffsverkehr, Öffis, Taxis, Apotheken, Notarzt-Dienste, öffentliche und private Rettung, Künstler, Berufs- und Freiwillige Feuerwehr, Kirchen, Einzelhandel (dort, wo es schon erlaubt ist), Seilbahnen, Gas- und E-Werke, Schwimmbäder, Agrarbereich, Medienbereich, diverse Freiberufler und noch viele andere mehr.
Und warum sollte man es dann Handelsunternehmen verbieten, freiwillig auch am Sonntag geöffnet haben zu dürfen? Wenn es sich nicht rechnet, werden viele nicht auf- oder nach kurzer Zeit wieder zusperren. Auch gut, dann wäre ein endlich liberalisierter Markt um eine Erfahrung reicher.
Manfred Hluma

Donnerstag, 24. März 2011

„Über Social Media“ oder „Wie man sich erfolgreich Trends anschließt“

„Ist Social Media Marketing eine Modeerscheinung?“ lautete die Themenstellung kürzlich bei einer Veranstaltung des Marketingclub Österreich. Der Hintergrund in Zahlen: 500 Millionen Menschen sind in Facebook, das entspricht jedem 13. weltweit. In den USA sind 200 Millionen auf Facebook, 150 Millionen der Benutzer sind übrigens über 35 Jahre.
„Wir sind gefordert, uns auf einen kontinuierlichen Wandel einzustellen“, postulierte Dieter Rappold, Geschäftsführer von „vi knallgrau“ (www.knallgrau.at), einem internet-affinen Dienstleistungsunternehmen: „Wir befinden uns in einer Übergangsphase von Massenmedien zu massenhaft Nischenmedien.“
Mythos sei es, dass ein Medienunternehmen existiere, um Inhalte einer konsumierenden Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. In Wahrheit sei ein Medienunternehmen heute ein spezialisiertes Unternehmen, das Öffentlichkeiten für andere Unternehmen aggregiere, um dort Informationen zu platzieren.
Das neue Motto heißt laut Rappold: „consume, produce, share“.Es sei jedoch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema nötig: „Twitter for business: 6 ways brands use twitter“ oder „Fast Facebook: 30 minutes to Facebook Success” seien keine geeigneten Instrumenten.
Seitens der teilnehmenden Unternehmer im Bereich von Social Media gehe es um das Versprechen des regelmäßigen Contents. Man müsse ein Vakuum kreieren, eine Erwartungshaltung schaffen und diese dann auch zufriedenstellen.
Zu den entscheidenden Voraussetzungen für den Einsatz von Social Media-Instrumenten zählen laut Rappold „Transparenz, Authentizität, der Willen zuzuhören und den Kunden mitentscheiden lassen.“ Eine Bedingung sei auch die Fähigkeit, rasch zu reagieren.
Obwohl Social Media ein Katalysator für die Entwicklung sozialer Kompetenz einer Organisation sei, hielten nur 27 % der Unternehmen die Definition der Ziele von Social Media für wichtig.
Das online-Budget der Unternehmen liegt in Österreich aktuell bei rund 10 Prozent, in Großbritannien sind es bereits bei 24 %. Der schlecht messbare „Return of invest“ (ROI) stehe dabei dem Risiko des Ignorierens gegenüber. Sich nicht heute mit Social Media auszukennen, werde morgen ein Stigma sein.

„Aber wie sich im Social Media Dschungel zurechtfinden?“, lautete die Grundsatzfrage von Alexandra Radl, Kommunikationschefin von Wien Energie, dem größten Energiedienstleistungsunternehmen Österreichs, die vor dem Marketingclub ihre Erfahrungen ausführte.
Die Ziele von Wien Energie mit Social Media waren

• eine verbesserte Awareness bei den Kunden.
• in direkten Kontakt mit den Kunden treten.
• Zugang zu neuen Zielgruppen erschließen.
• eine kommunikative Vorreiterrolle im Energiebereich als Marktführer einzunehmen.
Zu den konkreten Massnahmen gehören dabei: ein Wien Energie-Blog (http://blog.wienenergie.at), eine Facebook-Fanpage, ein Twitter Channel und auch ein Youtube-Channel.
„Facebook ist inzwischen ein wichtiges Promotion-Medium, über das wir Kampagnen verbreiten und Feedback bekommen“, sagt Radl, „Es hat eine enorme Mobilisierungskraft, der Multiplikationseffekt liegt pro Freund bei rund 130 weiteren Kontakten“. Das sei ein besonders gutes Empfehlungsmarketing. Wien Energie hat 2.500 Facebook-Fans bei rund zwei Millionen Kunden.
Twitter wiederum diene dazu, Echtzeitinformationen (etwa bei Störungsfällen) weiterzugeben und auf Kundenanfragen rasch zu reagieren.
„Es macht Spass, aber es ist ein anstrengender Weg“, sagt Radl und plaudert aus dem Nähkästchen:
• Manpower für die Community-Betreuung bereitstellen
• Redaktionsplan mindestens ein Monat im Voraus und eine neue Sprachkultur lernen
• Kommunizieren statt Werben – mehr Dialog denn je
• schnelle Reaktion zählt (mindestens 1 – 2x am Tag)
• es ist ein neuer Weg, mit Kritik und Kundenunzufriedenheit umzugehen
• es fördert die interne Sensibilisierung (Guidelines sind nötig)
• die Marke wird durch Botschaft und Inhalt erfolgreich – Authentizität ist wichtig.

Freitag, 28. Januar 2011

„Marketing Quo Vadis?“ oder „Von schnellen Entwicklungen"

Dr. Karl Pall, Österreich-Chef von Google, hielt kürzlich im Österreichischen Marketingclub ein gut besuchtes Referat mit dem Thema „Marketing Quo Vadis?“. Und er fügte auch an, zum Nachdenken anregen zu wollen, weil es keine gültigen Antworten auf die zum Teil schnellen Entwicklungen gäbe.

Einige seiner markanten Kernaussagen zum Thema Medienutzung- und planung:
Die Reichweite der „Zeit im Bild 1“ sinkt kontinuierlich: Der Durchschnitt lag 1997 bei 23,4 %, 2010 nur noch bei 13,7 %. Umgekehrt stieg die Internetnutzung binnen fünf Jahren just in der Prime Time (von 19:00 bis 20:00 Uhr) auf das Doppelte – inzwischen bei 30 Prozent.

Ein anderer Trend aus Japan: Während die Nutzung der TV-Nachrichten nachlässt, steigt der Internetzugriff über mobile Geräte speziell zwischen 20:00 und 24:00 Uhr extrem an – die Fachleute bezeichnen das als „Browse in bedroom“.
Trotzdem steigt TV-Konsum prinzipiell an. Er belief sich in Deutschland auf 223 Minuten pro Tag (11 Minuten mehr als im Vorjahr).

Überraschend, so Pall, ist eine Betrachtung der reichweitenstärksten „Kanäle“. Hinter RTL, Pro Sieben, 3Sat und Vox liegt bereits „YouTube“ (noch vor RTL II).

Interessant auch die Frage, wie viele Werbespots in Österreich gespielt werden. Laut Pall waren es im Jahr 2009 rund 1,7 Millionen Spots. Zum Vergleich: in den 80er-Jahren, als es in Österreich nur den ORF gab, waren es bescheidene 44.000. Und so erreichen den Konsumenten heute über verschiedenste Kanäle rund 6.000 Werbebotschaften täglich.

Die Media-Nutzung liegt in Österreich bei rund 40 % TV, 27 % Radio, 18 % Print und immerhin schon 15 % Internet. In den USA beträgt die tägliche Internetnutzung inzwischen 50 Minuten, vor zwei Jahren waren es erst knapp mehr als 30 Minuten.

Für die USA geht man davon aus, dass heuer die User im Schnitt 20 Stunden pro Woche online sind, für 2012 rechnet man mit 24 Stunden. Das Budget der Online-Werbeausgaben wird den Schätzungen nach weltweit bei merkbar über 90 Mrd. US-Dollar liegen.

Die Situation in Österreich: fast drei Viertel aller Österreicher sind im Netz, das entspricht über fünf Millionen Menschen. Das Auffallendste dabei: es sind alle Altersgruppen aktiv. Bis zu 30 Jahren sind es 97 %, bis zu 40 Jahren 94 %, bis zu 50 Jahren 88 % und bis 60 Jahre immer noch 77 %. Und die Gruppe der 60+ erreicht immer noch 62 %.

Überraschend auch die Antwort des Google-Österreich-Chefs auf die Frage nach der zweitgrößten Suchmaschine der Welt (nach Google natürlich): „YouTube“ mit 450 Millionen Besuchern pro Monat und über einer Milliarde Views pro Tag. Jeder Besuch dauert im Schnitt übrigens 16 Minuten. Pro Minute werden rund 25 Stunden Videos geladen, im Dezember 2010 wurden pro Tag zwei Milliarden Videos auf „YouTube“ angesehen.

Pall wies darauf hin, dass es auch durch die Gratiszeitungen sowie die Special-Interest-Magazine eine Multiplikation in der Medienlandschaft gegeben hat. Darüber hinaus sorgten auch neue Plattformen und Formate (Werbung auf Autos, auf WC-Papier und anderen neuen Plätzen wie in Arztpraxen oder in Apotheken oder eben via Internet) für eine Veränderung in der Medienwirtschaft und damit in der Werbe- und Kommunikationsplanung, was die Agenturen als auch die Auftraggeber vor neue Aufgaben stellt. Die Erfolgs- und Investitionskontrolle (auch der gerne eingesetzte „Return of invest“ - ROI) werden schwieriger.
Welchen messbaren Wert hat es, auf einer Homepage/Portal beispielsweise durch gezielte PR-Arbeit zu erscheinen? Waren es im April 1995 erst knapp 19.000 Homepages im WWW, stieg die Zahl inzwischen auf rund 250.000.

Auch die zyklischen Veränderungen werden immer schneller. Brauchte die Massenverbreitung des Radios noch fast 40 Jahre, waren es beim TV nur noch rund 10 und beim iPhone nicht einmal zwei Jahre.

Zwei andere bemerkenswerte Phänomene: nur rund 80 Tage nach dem Verkaufsstart des iPads waren bereits drei Millionen Stück verkauft und täglich (!) gibt es laut einer Zahl von Dezember 2010 etwa 300.000 Android-Aktivierungen (Android ist eine Google-Software, die gratis erhältlich ist).

Nach Google-Marktanalysen liegt die Zukunft bei den mobilen Systemen, seien es Smart-Phone oder iPads beziehungsweise Konkurrenzprodukte. Der Weltmarkt für mobile Internetgeräte wird sich nach den Analysen des Spezialisten binnen weniger Jahren auf 10 Milliarden Stück vervielfachen. Verstärkt wird dieser Trend durch neue Applikationen wie Internet-TV, Sprachsteuerung, perfekte Übersetzungen und Augmented Reality sowie Local based services (bei denen beispielsweise Sonderangebote eines Geschäfts/Hotels/Restaurants, in deren Nähe man sich befindet, angezeigt werden).

Das Geschäft mit den „Apps“ läuft zwar im Prinzip gut, doch die Käufer sind – auch angesichts der relativ geringen Preise – kritisch. Die Halbwertszeit von den in Unmengen angebotenen und heruntergeladenen Apps wie Spielen, Utilities etc. liegt nur bei 30 Tagen, 90 % werden danach wieder gelöscht.

Zum Thema „Social Networks“: bei den vielen Stunden, die Menschen in diesem Internetbereich kommunizieren, steht mit 70 % YouTube an der Spitze, gefolgt von Facebook mit 43 %. Xing kommt auf 16 %, Twitter auf 15 %. Und „flickr“ hat immer noch 10 %.

Das zeigt, dass man sich in der Kommunikationsarbeit der „Social Networks“ bedienen muss, auch wenn es für den gezielten Einsatz einer durchaus intensiven Planung und eines nicht zu unterschätzenden zeitlichen Aufwands bedarf.

Manfred Hluma

Donnerstag, 6. Januar 2011

„Mit Musik geht alles besser“ oder „Steigert Mozart die Weinqualität?“

„Mit Musik geht alles besser, mit Musik fällt alles leicht, ob man die Trompete schmettert oder Bass und Fiedel streicht“, heißt es in einem alten Schlager von Rudi Schurecke. Und in dem Film „Die Traumfrau“ lieferte Bo Derek zu Maurice Ravels „Bolero“ ebenfalls ein anschauliches Beispiel dafür, wie stimulierend Musik auf den Körper sein kann.

Dass durch den Genuss spezieller Musik die Denk- und Gefühlswelt gefördert werden könnte, tauchte als Vermutung in den frühen 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts auf.
Damals untersuchte man auf der Irvine-Universität in Kalifornien die Auswirkungen einer Hörprobe auf Studenten. Die Studie umfasste 36 Probanden, die nach dem Anhören verschiedener Musikstücke Aufgaben aus einem Intelligenztest lösen sollten. Dabei erzielte die Gruppe, die Mozarts Klaviersonate in D-Dur gehört hatte, ein signifikant besseres Ergebnis.

Die Studie blieb nicht ohne gesellschaftliche Folgen. In den USA brach ein regelrechter Mozart-Boom aus, mit einem breiten Angebot an Büchern und CDs für Erwachsene, Kinder und speziell für Schwangere. Im Bundesstaat Georgia erhielt 1998 im jede Mutter bei der Geburt eine Klassik-CD. Weiters wurde in Florida ein Gesetz erlassen, nach dem jeder Kindergarten jeden Tag klassische Musik spielen musste. Sogar Gefängnisinsaßen wurden mit Mozart beschallt, und auch die Keimung von Rosen sollte mit klassischer Musik besser gelingen.
Mittlerweile jedoch ist die Wirksamkeit des Mozart-Effektes umstritten.
Viele Wissenschaftler gehen nun eher davon aus, dass die Effekte klassischer Musik auf kognitive Fähigkeiten allenfalls kurzfristiger Natur sind. Zudem seien die Ergebnisse eher darauf zurückzuführen, dass die Musik bestimmte Emotionen wie etwa Ruhe, Harmonie oder Glück im Zuhörer hervorrufe. Und in diesem Zustand lassen sich auch knifflige Tests besser lösen. Dazu braucht man allerdings nicht unbedingt eine Mozartsonate, sondern Ähnliches lässt sich möglicherweise auch durch ein Stück Schokolade oder etwas Yoga erreichen.

Dass Mozart wahre Wunder bewirkt, daran hält jedoch ein Milchbauer aus der Nähe von Madrid unbeirrt fest: Der Landwirt beschallt seine 700 Kühe auf der Priegola-Farm in Spanien jeden Tag mit Mozart. „Es klappt nur mit Mozart“, schwört Nicolas Siebert. Die Kühe seien nicht nur ausgeglichener und einfacher im Umgang. Jede einzelne produziere auch ein bis sechs Liter mehr Milch pro Tag.
Tatsächlich ergaben Versuchsreihen, dass Kühe bei Beschallung mit verhältnismäßig ruhiger Musik – auch Kuschelrock – eine erhöhte Milchleistung erzielen.
Neun Wochen lang spielten Psychologen tausend schwarzweißen Rindern der Rasse Holstein-Friesen täglich zwölf Stunden lang Musik vor. Ergebnis: Durchschnittlich gab jede Kuh bei langsamer Musik um 0,73 Liter oder drei Prozent mehr Milch pro Tag. Ein russischer Bauer versucht übrigens gerade, seine Kühe durch die Betrachtung von Alpenbildern auf Flachbildschirmen im Stall zu einer höheren Milchproduktion anzuregen.
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Doch zurück nach Österreich: Hier sind einige Weinbauern auf die – weinselige (?) – Idee gekommen, Lautsprecher in ihre Tanks zu versenken und so die Gärung und des Reifung des Weins zu beeinflussen. Was der Wein zu hören bekommt? Mozart natürlich. Insgesamt sechs Winzer haben sich zusammengeschlossenen und auch schon einen passenden Namen gefunden: „Sonor Wines“. Die Schallwellen wirkten auf die Hefestämme und dadurch werde der Garprozess verbessert, argumentieren die Schallwinzer. Erste Vergleichsverkostungen zeigten eine höhere Qualität der beschallten Weine. An der Weinbaufachschule in Klosterneuburg wurden zwar ebenfalls verbesserte Werte gemessen, allerdings verweist man dort auf eine „Momentaufnahme“, die wissenschaftliche Untermauerung fehle noch. Die innovativen Weinbauern (www.sonorwines.com) stört das nicht, man biete anspruchsvollen Wein- und Musik-Gourmets ein neues, exklusives Geschmackserlebnis. Fehlt nur noch die Anleitung, wie man Wein im Takt und nach Noten trinken soll …
Manfred Hluma

Montag, 6. Dezember 2010

Sprechen Sie Facebook?

„Urlaubsparadies mit exklusivstem Ambiente“, „herrlichstes Wohlfühlen und bester Erlebnisfaktor“, und zum Drüberstreuen auch noch ein „atemberaubendes Panorama“. Der Superlativ in Urlaubsform wartet an jeder Ecke, wenn der Gast denn der üblichen Eigendarstellung der touristischen Anbieter Glauben schenkt. Aber genau dieser Glauben an den Wahrheitsgehalt von oft inhaltsleeren, werblichen Botschaften gerät im Moment gehörig ins Wanken. Mit dem Siegeszug des Social Web legen die Konsumenten nämlich eine neue Mündigkeit an den Tag. Durch die vielen neuen Perspektiven, die das Mitmach-Netz bietet, hinterfragt das Publikum die Aussagen der Anbieter ungleich kritischer als zuvor.

Ob Facebook, Twitter oder Blog: Wenn sich Touristiker dazu entschließen, eine Social-Media-Plattform für den Dialog mit den Gästen zu nutzen, gilt strenges Verbot für jede Wendung, die auch nur im Entferntesten an Werbung erinnert. Die Communites beobachten die Anbieter, die sich ins Web 2.0 einklinken, mit Argusaugen. Wer die Plattformen als Verkaufskanal missbraucht, ist raus, zumindest aus der Gunst der anderen Mitglieder. Gerade die geübten Marketing-Experten müssen darauf achten, bei der Unterhaltung im Social Web nicht in den gewohnten Jargon zu verfallen.

Wer mitmachen möchte, sollte den anderen einfach einmal ganz genau zuhören. Am besten redet (schreibt) man, wie einem der sprichwörtliche Schnabel gewachsen ist, authentisch und ungezwungen. Schließlich ist es wichtig, im Dialog immer auf Augenhöhe mit den Kunden zu sein, um akzeptiert zu werden. Von Plattform zu Plattform unterschiedlich gilt es, sich spezifisches Vokabular und Schreibweisen anzueignen.

„Es wird geplaudert, nicht verkauft“, heißt es dazu im Leitfaden „Social Media für die Hotellerie“ der Österreichischen Hoteliervereinigung (www.oehv.at). Die User suchen übrigens im Social Web den Mehrwert in Form von relevanten Informationen. Die Community akzeptiert nur Inhalte, die sich abheben – durch Relevanz für die Zielgruppe, Transparenz, Qualität des Inhalts und subjektive Perspektive. Wer eine eigene Facebook-Destinations-Site betreibt, liegt übrigens goldrichtig, wenn die Informationen die Anmutung von Geheimtipps besitzen. Dies ergab eine Umfrage von Kristina Bürger im Rahmen ihres Studiums am Institut für Tourismusmanagement an der FH Wien.
Alexandra Gruber

Freitag, 19. November 2010

Von der Bedeutung des „Welttoilettentags“ oder über die „Halle der inneren Harmonie“

Nun gibt es ja, wie an dieser Stelle schon vor einiger Zeit berichtet, nationale und internationale Tage für so ziemlich alles: Tag des Wassers, Tag des Brots, Tag der Arbeit, Tag des Windes“, der „Tag des Mannes“, der „Tag des Lärms“, der „Tag des Schlafes“ und unzählige mehr.
Man sollte meinen, es wäre schon jedes Thema abgedeckt. Doch weit gefehlt. Denn nach der alten biologischen Regel „What comes in, must go out“ findet – ja, Sie lesen richtig – am 19. November der „Welttoilettentag“ statt. Verkneifen Sie sich den Hinweis, dass dies eigentlich ein Sch…thema ist.
WCBlog
Doch gehen wir die Sache ernst an.
Der Begriff Toilette leitet sich vom französischen „toile“ beziehungsweise „toilette“ ab (Tuch bzw. kleines Tuch), mit dem man sich früher für seine Notdurft von der Umgebung abschirmte. Eine andere Bezeichnung für diesen kleinen Raum ist unter anderem „Lokus“ (lat.: locus necessitatis = Ort der Notdurft) oder „Latrine“. In China wird der Toilettenraum auch „Halle der inneren Harmonie“ genannt.
Gut ausgebaute Abortanlagen gab es bereits um 2800 v. Chr. in Mesopotamien. In den Städten des Altertums mündeten die Abflüsse in große Abwasserkanäle, die sogenannten Kloaken. Die bekannteste war die Cloaca Maxima in Rom. Die Römer besaßen auch WCs, bei denen die Fäkalien hygienischer durch Wasser entfernt wurden, insbesondere in Häusern der Reichen und oft in villae rusticae (Landhäusern von Großgrundbesitzern). Für die restliche Bevölkerung gab es öffentliche Latrinen, die durch das Wasser der Aquädukte versorgt wurden. Diese gingen mit dem Ende des Römischen Reiches verloren.
Im Mittelalter gab es Toiletten in Form von Nischen und Erkern (Abtritterker). Oft führten einfach Bodenöffnungen ins Freie. Auch in großzügigen Schloss- und Palaisbauten des 17. und 18. Jahrhunderts war die Beseitigung der Abwässer und Fäkalien immer noch ungelöst. Die unzureichende Ausstattung hatte zur Folge, dass für die Notdurft ohne Hemmungen Korridore, Flure, Raumecken, Eingänge und Durchfahrten, sowie Höfe, Gärten und Parkanlagen benutzt wurden und ein penetranter Geruch durch die Schlösser durchzog.

Der eigentliche Erfinder des Wasserklosetts war Sir John Harington, jedoch geriet seine Erfindung aus dem Jahre 1596 wieder in Vergessenheit. Im Jahre 1775 erhielt dann der englische Erfinder Alexander Cummings das Patent für seine Ausführung eines Wasserklosetts.

Heute gibt weltweit etwa 2,5 Milliarden Menschen die keinen Zugang zu Toiletten haben. 2001 wurde vom Unternehmer Jack Sim in Singapur die Welttoilettenorganisation (WTO) gegründet, die die weltweite Verbesserung der hygienischen Verhältnisse an Toiletten zum Ziel hat. Von ihr stammt auch der Welttoilettentag. Die World Toilet Organisation ist ein Dachverband nationaler Toilettenorganisationen und hat nach eigenen Angaben mittlerweile über 190 Mitgliedsorganisationen aus fast 60 Ländern.
Nach ihrer Ansicht sind hygienische und zweckmäßige Toiletten eine Notwendigkeit und ein grundsätzliches Menschenrecht. Viele Toiletten sind heute wegen unzureichender Kanalisation ein Umweltproblem. Fäkalien verunreinigen Flüsse, Grundwasser und den Boden. Hierdurch infizieren sich zahlreiche Menschen mit Krankheiten. Es wird davon ausgegangen, dass täglich 6.000 Kinder allein an Durchfallerkrankungen sterben. Häufig werden diese durch mangelnde Hygiene und unsaubere Abwässer verursacht. Auch können gefährliche Krankheiten wie die oft tödliche Lungenkrankheit SARS durch unsaubere Sanitäranlagen übertragen werden. Ein Ziel der World Toilet Organisation ist es, zur Erfüllung der Millenniumsziele der Vereinten Nationen beizutragen. Das Millennium-Entwicklungsziel Nr. 7 c fordert den Anteil der Weltbevölkerung, der ohne Zugang zu Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung lebt, bis 2015 zu halbieren.


Noch einige Skurrilitäten zum Thema gefällig?

• In japanischen Toiletten findet sich häufig ein Otohime, das ist ein kleiner Lautsprecher, der die Körpergeräusche übertönen soll. Italienische Toiletten verfügen hingegen meistens über ein Gebläse, das die Gerüche beseitigt.

• Als Schutzpatron der Latrinenreiniger gilt Papst Julius I.

• In Teilen des Nahen Ostens ist die Benutzung der Toilette in einer Moschee Männern vorbehalten. Auch in Restaurants, auch solchen mit sogenanntem Familienabteil, fehlen oft Damentoiletten. 2006 öffnete im Basarviertel der nordirakischen Stadt Arbil eine erste öffentliche Damentoilette.

• Das Sprichwort „Pecunia non olet, Geld stinkt nicht“ hat seinen Ursprung in einer römischen Latrinensteuer.

• Es existiert ein offizieller Weltrekord im Zerschlagen von Toilettendeckeln mit dem Kopf. Mehrfacher (!) Weltmeister in dieser Disziplin mit 50 zertrümmerten Klodeckeln innerhalb von 60 Sekunden ist der Deutsche Thomas Teige.

• Das geflügelte Wort „Latrinengerüchte“ geht auf die Gespräche der Soldaten aller Mannschaftsgrade, die sich an der Sickergrube oder auch Latrine zur gemeinsamen Verrichtung trafen, zurück.

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