Freitag, 10. August 2007

Deutsch-Deutsch für Österreicher: Wie man die Kuh vom Eis gebacken kriegt

Spätestens seit deutsche Nachbarn auch den österreichischen Arbeitsmarkt und speziell die Medizinuniversitäten stürmen, verstehen Alpenrepublikaner die Welt nicht mehr. Jedenfalls die deutsche nicht.
Denn viele Phrasen der deutsch-deutschen Alltagssprache klingen für österreichische Ohren skurril.
Oder wissen Sie, was „Ich hab den Kaffee auf!" bedeutet? Wenn Sie damit „einer Sache überdrüssig sein“ oder „keine Lust mehr haben“ in Verbindung gebracht haben, herzliche Gratulation!
Weil wir gerade beim diesem Thema sind. Deutsche Gastgeberinnen kündigen zwar oft „Ich mach´uns jetzt mal einen schönen Kaffee“ an, was dann auf den Tisch kommt, ist jedoch oft nur „Schwerter-Kaffee“ (so dünn, dass man die Schwerter des Porzellanherstellers Lilienthal am Tassenboden sehen kann). Tja, das mit dem Kaffee kriegen viele Deutschen eben oft „nicht auf die Reihe“, man kann ja nicht alles schaffen.
Dafür bemüht man sich in der - laut deutschen Medien immer permanent von Krisen geschüttelten - BRD tierisch, diese zu bewältigen: "Wir holen auch schon mal die Kuh vom Eis, wenn es sein muss" oder "Auf einer Krisensitzung wurde überlegt, wie die Kuh vom Eis zu holen sei“ sind gängige Ausdrücke , wenn Bundesdeutsche nach Lösungen suchen.
Manche Probleme tauchen aber gar nicht erst auf, speziell wenn man Einwände oder Umstände einfach „außen vor lässt“. Doch auch wenn Dinge unberücksichtigt bleiben, kann es passieren, dass man etwas „nicht gebacken kriegt“. Oder umgekehrt: "Endlich haben wir es mal gebacken gekriegt, ein ordentliches Skat-Turnier zu organisieren". Und wenn man etwas geschafft hat, da kann man dann schon „dicke Backen machen“ und damit auftrumpfen. Allerdings wird diese Redewendung auch umgekehrt eingesetzt (für überfordert sein oder schwach werden).
Weil wir schon bei den Backen sind, den Allerwertesten lassen die Deutschen in ihrer Umgangssprache natürlich nicht außen vor. Wenn „einer wütend wird“ und „die Platze kriegt“, dann knallt er seinem Gegner einfach ein vernichtendes „Das geht mir am Arsch vorbei“ auf den Tisch. Sollte der dann „keinen Arsch in der Hose haben“ oder „Eisbeine kriegen“, ist er eben zu feige und zu schwach. Und damit ist die Sache dann wohl gegessen.
Sollte Ihnen jemand übrigens nicht glauben wollen, das ein „gespaltener Arsch“ absolut nichts Ungewöhnliches ist (nämlich die Gleichverteilung aller Punkte beim Skat), dann „braten Sie sich ein Ei drauf“, schließlich muss man sich ja nicht immer von Vorwürfen stören lassen, sondern kann sie auch ignorieren.
Das Leben ist schließlich auch so anstrengend genug. Bevor Sie aus Überarbeitung total erschöpft und „völlig von der Rolle sind“ halten Sie „den Ball flach“, üben Sie Zurückhaltung und regen Sie sich nicht unnötig auf. Machen Sie sich lieber „einen Bunten“, faulenzen Sie und genießen Sie das Leben.
Beispielsweise auf einer netten Almhütte, wo Sie nach diesem Blitzkurs in Deutsch-Deutsch ein bisschen angeben und spendabel „einen auf dicke Hose machen“ können, indem Sie eine Runde Schnaps für die deutsche Freunde bestellen. Die tun sich mit österreichischen Ausdrücken sicher auch nicht leicht. „Hoast mi?“

Manfred Hluma

Mittwoch, 8. August 2007

Kunststoff-Hufe: Wenn Ursula Stenzel klappert....

Das vertraute Klappern der Hufeisen in der Wiener Innenstadt soll verschwinden. Dabei gehört Klappern zum Handwerk. Politiker wissen das und Ursula Stenzel, frühere ORF-Sprecherin, dann EU-Abgeordnete und jetzt umstrittene Wiener Bezirkschefin der Inneren Stadt, erst recht. Und seit sie dort im Amt ist, klappert sie dauernd: für mehr Ruhe in der Stadt, gegen die Schanigärten, gegen die Punschstände am Stephansplatz, gegen zuviel Alkoholgenuss in der Öffentlichkeit ....
Jetzt sind die Fiaker dran. Weil die Pferde mit den Hufeisen den Asphalt mehr ruinieren als andere Benutzer, sollen sie künftig mit Kunststoff statt Eisen beschlagen werden.
Laut Stenzel kostet die Sanierung der 20 Fiaker-Routen, die durch die Wiener Innenstadt führen, fünf bis sechs Millionen Euro und der Bezirk habe dafür kein Geld. Wer weiß, vielleicht dringt das Klappern der schwarzen Ursula aus dem Alten Rathaus ja bis zum roten Michael im großen Rathaus und er greift in die Budgettasche.
Denn ein Wien ohne Fiaker wäre ja wirklich wie Gulasch ohne Saft. Um 1790 gab es etwa 700, in ihrer Glanzzeit zwischen1860 und 1908 sogar über 1000 Fiaker. Die Fiaker waren die Vorläufer der Taxifahrer: Wenn die Schrammeln spielten, standen oft an die 300 Fiaker vor dem Lokal.
Die Kutscher waren oft stadtbekannte Originale. So mancher hatte auch eine gute Stimme und begann, selbst vor dem Publikum zu singen: beispielsweise der legendäre Josef Bratfisch, der Leibfiaker von Kronprinz Rudolf. Er wurde, weil er ziemlich dick war, "Nockerl" genannt.
Auch andere Fiaker hatten Spitznamen. Meist beschrieb man damit ihr Aussehen: der "Hungerl" (er hieß eigentlich Karl Mayerhofer) hatte den Namen von seinem mageren Cousin geerbt, der "Rote mit der Fliegen" wurde wegen seiner roten Haare so genannt. Berühmt waren der alljährliche Fiakerball am Aschermittwoch) und die Sängerin "Fiakermilli", der Richard Strauss in der Oper "Arabella" ein Denkmal setzte.
So richtig lustig ist das Fiakerleben, für das man seit 1998 auch eine „Fahrdienstprüfung“ ablegen muss, inzwischen ja nun wirklich nicht mehr. Abgesehen von Konkurrenz und Wind und Wetter nerven die Fiaker immer neue Forderungen wie beispielsweise jene nach der Einführung von – wie es im Magistratsdeutsch heißt – „Kotauffangvorrichtungen“, damit die Rossknödel (jawohl, nach Karl Valentin ohne „n“) nicht herumkugeln. Wer weiß, ob nicht deren chemische Zusammensetzung auch zur Schädigung des Asphalts beitragen. Wenn die Pferderln dann noch „abstrahlen“, da kann der beste Strassenbelag sauer werden....
Und jetzt auch Plastik-Hufeisen. Dann doch lieber gleich Galoschen für die „harb´n Rappen“. Und außerdem Stöckelschuh-, Gehstock- und Krückenverbot in der Inneren Stadt, dem Asphalt zuliebe.
Bevor die Lohnkutscher jedoch endgültig das altbekannte „Stellt´s meine Ross in Stall“ anstimmen, sollte man in Anlehnung an „Rettet den Stephansdom“ nun „Rettet die Fiaker“ gründen. Kleinspender erhalten jeweils ein Sackerl Pferdemist (ideal zum Rosendüngen), Großspender das „Große Hufeisen am gelben Band“. Und Ursula Stenzel einen Maulsack.

Manfred Hluma

Freitag, 3. August 2007

Schlangestehen für Kulturgenuss

Hassen Sie Schlangestehen auch?
Einkaufen im Supermarkt: drei Menschen am Fleischstand, vier bei der Wurst („Ja, gaanz dünn schneiden und schön auflegen, bitte!“), sechs an der Brotausgabe und an der Kasse nur fünf, dafür hat einer vergessen, die Äpfel abzuwiegen. Dauert ja nur zwei weitere Minuten, bis er zurückgelaufen ist und das erledigt hat, während alle anderen warten müssen. Die halbe Mittagspause geht so locker drauf.
Arztbesuche lasse ich hier weg, die dort vergeudete Wartezeit ist eigentlich gesundheitsschädigend, und um die Anstellerei auf den Flughäfen kommt man ohne Privatjet halt nicht herum.
Absolut penetrant wird es aber, wenn man in der als Vielarbeiter mühsam abgesparten Freizeit wieder warten soll. Und einiges deutet darauf hin.
„Die Menschen werden in Zukunft vor Konzertkassen, Museen und Kunstausstellungen Schlange stehen wie die Nachkriegsgeneration vor Lebensmittelläden“, prognostizierte das deutsche BAT Freizeit-Forschungsinstitut im Jahr 1992. Jetzt ist es Realität. Seit Ende Mai stehen beispielsweise täglich bis zu 5.000 Besucher Schlange vor der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Und wer die – wenn man einmal oben ist zugegebenermaßen grandiose - Reichstagskuppel besuchen will, darf sich freuen, wenn er weniger als eine halbe bis dreiviertel Stunde anstehen muss.
Wie ein gerade veröffentlichte neue Repräsentativbefragung der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen zeigt, wird die inszenierte Massenkultur deutlich zunehmen: „Der Interessenschwerpunkt speziell der Jüngeren verlagert sich immer mehr auf spezielle Angebote der Eventkultur mit dem Charakter des Außergewöhnlichen“.
Museen, Musikfestivals und Open-Air-Konzerte liegen voll im Trend. „Immer mehr Städte und Regionen gehen dazu über, einen eigenen Kultursommer zu kreieren, eine Art fünfte Jahreszeit für Städtetouristen und Daheimurlauber“, so Horst W. Opaschowski, der Wissenschaftliche Leiter der Stiftung. „Exklusive Sonderausstellungen in Museen und Galerien machen den Besuch zum gesellschaftlichen Ereignis. Ein ‚Muss’ für viele. ‚Man’ geht eben hin“. Die Kulturszene wird zur Eventkultur, über welche die Medien bereits ausführlich berichten, bevor die Veranstaltungen überhaupt stattgefunden haben.
„Der massentouristische Ansturm bleibt nicht aus“, schreiben die BAT-Studie-Autoren, „Die Hochkultur bekommt Züge von Massenkultur.“ Und damit heißt es erneut Schlangestehen.
Der Trend ist auch in Österreich eindeutig erkennbar.
336.800 Museumsbesucher lockte die letzte „Lange Nacht der Museen“ in ganz Österreich an, davon allein 174.100 Besucherinnen und Besucher in Wien.
Über 300.000 Besucher zählte die im Jänner 2007 zuende gegangene Picasso-Ausstellung, die Albrecht Dürer-Ausstellung im Herbst 2003 konnte 430.000 Besuchern nur drei Monaten verbuchen. Auch damals war die Warteschlange lang.
Und das verleidet vielen den Genuß. Ich würde mir jedenfalls eine Jahreskarte des Museums kaufen, das mit einem zeitgemäßen Besucherkonzept aufwartet. In dem man beispielsweise bei Espresso und Prosecco entspannt im Ausstellungskatalog blättert, bis der Aufruf kommt: „Herr Hluma, jetzt zur Ausstellung bitte“.

Manfred Hluma

Mittwoch, 1. August 2007

Second Death?

Die Internet-Kunstwelt „Second Life“ könnte vom Aussterben bedroht sein, der Hype um die virtuelle Welt der Betreiberfirma Linden Lab (http://www.lindenlab.com) vielleicht schon bald Geschichte.
Immer mehr Firmen schließen ihre Präsenz in der virtuellen Welt Second Life (SL). Von vereinsamten Unternehmens-Inseln und leeren und Auslagen berichten SL-Welten-Wanderer. Prominente Beispiele sind der Computerhersteller Dell, der seine Insel ebenso aufgab wie die Hotelkette Starwood. Auch die Nutzerzahlen sanken in den letzten Monaten und das Wachstum der Population insgesamt erreichte im Juni das niedrigste Niveau der vergangenen sechs Monate.
Offen ist, ob es sich nur um eine vorübergehende Flaute oder doch eher um das Ende der Second Life-Hysterie handelt. Jedenfalls wird allmählich deutlich, dass diese virtuelle Welt nicht das hält was sich Besucher und Betreiber erhofft haben.
Und während man in der Wiener Szene vor wenigen Monaten noch begeistert die SL-Avatar-Namen weitergab – manche zierten sogar die Visitkarten –, ist die Begeisterung weitgehend verschwunden. Die Kundenanfragen nach Second Life seien deutlich zurückgegangen, berichten einschlägigen Agenturen. Zum Abflauen der Euphorie hätten auch negative Meldungen über Kinderpornografie und Produktpiraterie beigetragen (in der BRD gab es in diesem Zusammenhang sogar Verhaftungen).
Doch frei nach dem Motto „Da muss man durch“ lassen sich viele Firmen nicht entmutigen. Adidas beispielsweise verkauft im SL 2700 Paar – reale – Schuhe im Monat und will weitermachen. Mercedes Benz bietet den SL-Avataren auch weiterhin eine Teststrecke mit allen Wetterverhältnissen, auf die C-Klasse virtuell getest werden kann.
Derzeit sind bei Second Life rund 5,2 Millionen User registriert, davon sind rund 700.000 inaktiv und dürften demnächst gelöscht werden. Rund 2,6 Mrd. Linden-Dollar, der SL-Währung, sind in der virtuellen Welt in Umlauf (etwa sieben Millionen Euro).
Aber es gibt eine virtuelle Völkerwanderung, der manche Unternehmen folgen. IBM ist inzwischen in „Entropia Universe“ (www.entropiauniverse.com) angesiedelt und „There“ (www.there.com) aktiv. Entropia Universe wird vom schwedischen 3D-Spezialisten Mindark (www.mindark.com) betrieben und seit dem Start 2003 haben sich 580.000 Nutzer registriert. „There“ hat laut eigenen Angaben rund eine Million Mitglieder. Betreiber ist das in Silicon Valley angesiedelte Unternehmen Makena Technologies.
Absolut jugendfrei ist jedenfalls „papermint“, ein österreichisches Gegenstück zu Second Life, das in einem aufgelassenen Kino in Wien-Hütteldorf entwickelt wurde (www.papermint.at). Papiermünzen sind die interne Währung in Papermint, je nach Kaufmenge kosten sie zwischen 5 und 7 Cent. Diese benötigt man unter anderem, um stets einem ausreichenden Vorrat an Minze parat zu haben, mit dem ein so genannter „Wobbel“, ein ständiger Begleiter des gewählten Avatars, gefüttert werden muss, damit er sein Gedächtnis behält. Während das Spiel an sich gratis ist, muss man beispielsweise für die Wohnungseinrichtung oder pfiffiges Gewand bezahlen.

Manfred Hluma

Dienstag, 31. Juli 2007

Wer noch hören will, muss fühlen!

„Wer nicht hören, will muss fühlen“, meint der Volksmund. „Wer noch hören will, muss fühlen, nämlich, wann es zu laut wird“, meinen hingegen Ohrenärzte.
Der Hörverlust ist inzwischen die am häufigsten auftretende Beeinträchtigung der Sinnesorgane, der jedoch am effektivsten vorgebeugt werden kann – wenn das Bewusstsein vorhanden ist.

In Österreich leiden heute ungefähr 800.000 Menschen an einer Hörminderung und jeder kennt jemand, der schlecht hört – und es sind nicht nur Oma und Opa, sondern auch Jüngere.
Mehr als 10 Prozent der Weltbevölkerung ist heute von Hörschädigungen betroffen, und laut Schätzungen wächst diese Zahl bis im Jahr 2015 auf über 700 Millionen Menschen an. Ein toller Zukunftsmarkt für Hörgerätehersteller.

Ganz eindeutig ruinieren wir unser Gehör selbst. Untersuchungen nämlich heraus, dass bei Naturvölkern mit 70-Jährige immer noch so gut hören wie mitteleuropäische Stadtbewohner mit 30 Jahren. Das Wort Lärm geht auf Alarm zurück, das aus dem Lateinischen stammt und „zu den Waffen“ bedeutet. Laute Geräusche sind ein Signal, das den Körper in Kampf- und Fluchtbereitschaft versetzt. Mit anderen Worten: Lärm löst Stress aus, der das Ohr schädigen kann – mit Hörsturz als einer Folge..

Beachtliche 1000 Österreicher tragen alljährlich schwere und teilweise dauerhafte Hörschäden durch Silvester-Knaller davon. Der Lärmpegel von Feuerwerkskörpern erreicht bis zu satten 170 Dezibel, das ist die mehrfache Lautstärke eines Düsenjets.
Doch bereits permanente Lautstärken über 85 Dezibel verkraften die Ohren nicht unbeschadet. Und die Wirkung potenziert sich: Fünf Minuten in einer Disco bei 105 Dezibel entsprechen einer Belastung von acht Stunden bei nur 85 dB. Ärzte fordern beispielsweise eine Begrenzung des Lautstärkepegels bei MP 3-Player und in Discos und bei Konzernten auf maximal 95 dB.

Gefährdet sind übrigens auch Heimwerker: Während am Arbeitsplatz ab einer Belastung von 80 Dezibel ein Ohrschutz vorgeschrieben ist, trifft der Freizeitlärm das Hörorgan ungefiltert. So manches Heimwerkergerät bringt es auf 100 Dezibel.

Der beste Weg ist die Vorbeugung: Wer Lärm nicht meiden kann, soll die Ohren schützen. Am einfachsten geht das mit simplen Ohrstöpseln oder – etwas professioneller – mit einem lärmdämmenden Kopfhörer.
Wer allerdings auch weiterhin Stammgast in Heavy Metall-Konzerten mit 130 Dezibel Lautstärke bleibt und andere Lärmsünden begeht, für den wird die Welt irgendwann ziemlich still werden. Und bis dorthin bleibt ja auch genug Zeit, die Gebärdensprache zu lernen....

Manfred Hluma

Montag, 30. Juli 2007

Hörendes Sehen: Über Gebärdensprache und Dialekte

Unterwegs in Süditalien, eine mehrstündige Zwangsrast an einer Raststation wegen eine Autopanne.
Ein kleiner Fiat parkt sich im Schatten eines Baumes ein. Ein altes Ehepaar entsteigt. Die Frau ist unzufrieden, das Auto soll noch weiter in den Schatten.
Mit fordernden und anweisenden Handbewegungen dirigiert sie den Mann solange, bis das Auto offenbar endlich zu ihrer Zufriedenheit steht.
Aus der Entfernung beobachte ich die Szene und denke mir über die Fuchtelei meinen Teil, bedauere den offensichtlich zurechtgewiesenen Mann.
Als die beiden dann am Nachbartisch Platz nehmen, leiste ich im Stillen Abbitte – das Ehepaar ist gehörlos. In trauter Zweisamkeit nehmen sie begleitet von einem breitem Kanon an Gesten ihr Essen zu sich.
Wie schwer muss es wohl sein, sich nur mit Handzeichen und Mimik verständigen zu können? Wie weit kann man überhaupt Zwischentöne, Gefühle und Nuancen so ausdrücken?
„Mit Gebärdensprachen lassen sich genauso gut abstrakte Dinge oder Ideen und z. B. auch Poesie darstellen wie mit Lautsprachen“, kann man in der einschlägigen Literatur nachlesen.
Der Grundwortschatz einer Sprache erfordert meist die Kenntnis von etwa 2000 Vokabeln.
Im Lexikon zur Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS-Lexikon) - http://db.sign-it.at/ogs.htm - sind derzeit ca. 8000 Gebärden und Gebärdenvarianten aus allen Bundesländern enthalten.
Die Sprachen unterscheiden sich von Land zu Land: Österreichische Gebärdensprache (ÖGS), American Sign Language (ASL), Deutsche Gebärdensprache (DGS) usw...
Jede nationale Gebärdensprache verfügt außerdem über regionale Ausprägungen, es gibt also tatsächlich auch Dialekte.
Die Gebärdensprachen sind übrigens natürlich entstandene Sprachen – und nicht künstliche wie etwa Esperanto - mit einer eigenen Grammatik. Die Texte sind auch keine Wort-für-Wort-Übertragungen aus der akustischen Sprache.
In Österreich leben rund 10.000 Menschen vollkommen gehörlos und an die 15.000 weitere sind so hochgradig schwerhörig oder ertaubt, dass ihnen eine Verständigung allein über das Gehör auch mit Hörhilfe kaum möglich ist.
Die ÖGS ist seit 1998 Gerichtssprache, das heißt, Gehörlose dürfen seit damals in ÖGS bei Gericht aussagen. Seit 2005 wurde sie nach langjährigen Bemühungen der Gehörlosen-Vertreter dann auch in der österreichischen Verfassung ausdrücklich als Sprache anerkannt.
Auch wenn der Kreis der Betroffenen klein erscheint, er wächst ständig. Die Zahl der Menschen mit Hörschäden nimmt in den Industriegesellschaften dramatisch zu. Mehr darüber in Kürze.
Manfred Hluma

Donnerstag, 21. Juni 2007

„Kein Emo, aber doch glücklich!“

„Die ist doch voll Emo!“, pfaucht die pubertierende Tochter auf den Vorschlag zurück, eine Schulkameradin am Wochenende zum Ausflug mitzunehmen. Und dass am Nova Rock-Festival Zelte mit Schildern „Kein Emo, aber doch glücklich!“ verziert waren, macht neugierig und lässt in diversen Info-Quellen nachsehen.
Also: „Emo ist ein Begriff, der ursprünglich für ein Subgenre des Hardcore-Punks verwendet wurde, das sich durch emotionale Musik und selbstreflexive Texte abhob. Im Laufe der Zeit wurde die Bezeichnung zunehmend auch für Musikgruppen verwendet, die dem Hardcore-Punk eher fern stehen, sich allerdings ebenfalls durch sehr persönliche Texte hervorheben, sowie für deren Hörerschaft“, liest man in Wikipedia: „Der Ursprung der Emoszene liegt in der US-Hardcoreszene der 1980er-Jahre. Bereits die Gruppe Hüsker Dü (von 1977 bis 1987) - Ist Ihnen die damals übrigens ebenso entgangen wie mir? - beschäftigte sich mit den Themen Liebe, Beziehungen oder Freundschaft. Obwohl die ersten Lieder von Hüsker Dü dem Hardcore Punk zuzuordnen sind, gab es bereits frühzeitig emotionale Passagen in ihren Liedern. Emo galt in seinen Anfangstagen als Antwort auf zunehmende Härte und Machismo innerhalb der Hardcore-Szene. Emotionen wie Trauer und Verzweiflung wurden offen gezeigt, was bei den meisten Hardcore-Bands der damaligen Zeit als verpönt galt.“
Alles klar?
Der Punk wiederum ist eine Jugendkultur aus den 70er-Jahre, die in New York und London entstand. Charakteristisch für den Punk sind provozierendes Aussehen, eine rebellische Haltung und nonkonformistisches Verhalten. Prägendes Motto für die Punk-Bewegung ende der 1970er Jahre war der Refrain eines Sex Pistols-Stücks: No Future.
Übrigens ist das englische Wort Punk älter als oft angenommen wird. Es taucht bereits bei Shakespeare auf und bezeichnet eine Prostituierte. Aus einer anderen Bedeutung, „faules Holz“, ergeben sich weitere durch Übertragung: Punk bezeichnet allgemein etwas Niedriges, Minderwertiges, also „Unsinn“; auf Personen bezogen „Anfänger“, „unerfahrene Person“; „Strolch“, „Kleinkrimineller“, „Landstreicher“, oder gar „Abschaum“, „Dreck“.
Punks bringen sich vor allem durch Musik zum Ausdruck, ferner durch Kleidung, Frisuren und Grafik (Collagen, Xerographien und Comic-Zeichnungen), betonen das Hässliche und wollen provozieren. Dahinter steckt eine bestimmte Anschauung: eine respektlose, resignierte bis aggressive Haltung gegenüber der Gesellschaft, eine Art rebellischer Nihilismus. Der Punk stellt sich gegen alle Konventionen, gegen die Konsumgesellschaft und gegen das Bürgertum, aber genauso gegen die politische Rechte.
Weil wir schon bei den Szenen sind: Da gibt´s ja auch noch die Gothics, kurz Goths. Axel Schmidt und Klaus Neumann-Braun schreiben in ihrem Buch „Die Welt der Gothics“: Die Bezeichnung Gothic klingt mittelalterlich, dunkel und mystisch, jedoch zugleich - aufgrund des Anglizismus - irgendwie 'modern'. Diese bereits in der Bezeichnung anklingenden Widersprüchlichkeiten sind kennzeichnend: Einerseits hängt sie einer längst vergangenen Zeit romantisierend nach und verleiht dem in ihrem Lebens- und Kleidungsstile deutlich Ausdruck. Andererseits pflegt sie durch ihren Fokus auf Ästhetik und Individualität eine ausgeprägt spätmoderne Existenzform.
In Leipzig hat sich übrigens mit dem Wave-Gotik-Treffens (WGT) die weltweit größte Veranstaltung der internationalen Schwarzen Szene etabliert, das jedes Jahr zu Pfingsten stattfindet. Eines zeichnet die schwarze Szene im Unterschied zu den Skin-Heads aus: sie sind absolut gewaltlos und verhalten sich friedlich. In Leipzig hat es bei den Wave-Gotik-Treffen noch nie Schlägereien oder ähnliches gegeben und manche Taxifahrer wünschen sich das ganze Jahr so gesittete Gäste.
Interessant das Zitat einer Besucherin: Na ja, ich glaube Gothic ist ein Lebensstil – schau dich doch mal um, die meisten Leute hier sind schon etwas älter. Einige sind mit ihren Kindern hier. Das sind die Goths der ersten oder zweiten Generation, die haben die ganze Entstehung der Gothic-Kultur mitgemacht beziehungsweise aufgebaut. Die ganzen Kiddies, die über die gehypte Musik von HIM oder Marilyn Manson dazu gekommen sind, wissen doch gar nicht, um was es geht, die rennen abends in top gestylten Klamotten rum und tagsüber in irgendwelchen Normalo-Marken-Klamotten. Das würde ich dann eher als Jugendszene sehen, aber das sind keine Goths, noch nicht mal Gruftis sondern einfach nur Kiddies.“
Das wiederum führt mich zur erfreulichen Tatsache, dass mit Gruftis nicht mehr die Eltern- bzw. Großelterngeneration gemeint ist:Heute nimmt eine gewisse Jugendszene die Bezeichnung „Grufties“ für sich in Anspruch und bringt sich regelmäßig durch auffällige Friedhofsunternehmungen und Ähnliches ins Gerede. Schlagzeilen wie z.B. „Festnahme, Grufties verwüsteten Leichenhalle“ sind nicht selten. Unter Gruftie versteht man den schwarzgekleideten Jugendlichen mit schwarzgefärbter, meist auffällig gestylter Frisur. Sein ganzes Outfit ist extrem. Das weißgeschminkte Gesicht betont durch schwarzumrandete Augen, soll Totenblässe signalisieren. An den Ohren und am Hals baumeln oft ganze Reihen von Kreuzen, dazwischen vielleicht das Pentagramm ( fünfzackiger Stern, auf der Spitze stehend wird er satanistisch verwendet.) Totenkopf und Spinne. Der Gesichtsausdruck des Grufties ist stumpf, traurig, und seine Haltung kann der eines alten, gebeugten Großvaters immer ähnlicher werden. Befragt man einen Gruftie, warum er sich so gibt, wird man in der Regel Sprachlosigkeit ernten. Der Gruftie spricht nicht viel, seine Ideologie scheint sich mit wenigen Worten beschreiben zu lassen: „Wir tragen schwarz als Zeichen der Trauer über diese Welt“.
Wenn also meine Tochter wieder einmal motzt, werde ich lässig mit dem Gruftiegruß „Stay dark!“ antworten.
Manfred Hluma

PS: Keine Szene, aus der sich nicht etwas herausnehmen und verbreitern ließe: Der düstere Gothic-Stil ist einer der großen Modetrends im kommenden Herbst- und Winter. Das zeichnete sich bereits im Frühjahr bei den Luxusmodenschauen in Paris ab. Viele Stardesigner holten sich ihre Inspirationen aus der Gruft. Nicht nur bei den Billigmodeketten gibt es bald Gruftie-Mode von der Stange, auch der britische Stardesigner John Galliano konzipierte für das Pariser Modehaus Dior „Gothic Chic".
Um sich von der Masse abzuheben, müssen sich die Szenegänger also bald etwas anderes einfallen lassen.

Montag, 18. Juni 2007

Niederösterreich - Schifferl fahren im weiten Land

"Das weite Land" - lautet ein gängiger Tourismus-Werbespruch für Niederösterreich. Stimmt ja auch.
Die Vielfalt der touristischen Angebote ist immens und eigentlich ist für jeden Geschmack etwas dabei. Doch wer die Wahl hat, hat ja bekanntlich auch die Qual.
Abhilfe verspricht die Adresse "www.ausflugsplaner.at", die von der Niederösterreich Werbung betrieben wird.

"Fein", denkt sich der unternehmungswillige Ausflügler, "dann planen wir mal". Als Einstieg bietet sich die Rubrik "Mein Ausflugsmotiv" an.

22 Ergebnisse bringt "Spass, Gemeinsames Erlebnis mit Kindern", doch mit gelben Bewertungssternen sind nur zwei markiert: die Brandner Schiffahrt und der Naturpark Geras.
Nächster Versuch die Rubrik "NÖ genießen": Ergebnisse sind die Weinerlebniswelt Loisium und die Brandner Schiffahrt.

Unter "Erholung, Natur geniessen" werden lediglich der Naturpark Geras und die Brandner Schiffahrt mit Sternen versehen.

Weiter gehts´s mit "Bewegung, Sport aktiv". Wer hier erwartet, etwa die Seilbahn auf die Rax, die Zahnradbahn auf den Schneeberg oder einen Sessellift auf den Semmering oder Wechsel zu finden, oder einen Weitwanderweg - gibt´s da nicht die Via Sacra? - wird enttäuscht. Angepriesen wird wieder das Loisium - na gut, das ist wenigstens eine unterirdische Miniwanderung - die Burgruine Aggstein - ja, das geht´s wirklich steil hinauf -, der Naturpark Geras und die Brandner Schiffahrt. Bei letzter bewegt sich aber nur das Boot, außer man hat es versäumt und muss ihm nachschwimmen....

Bleibt noch die Auswahlmöglichkeit "Horizont erweitern". Das klingt interessant, die Ergebnisse sind es weniger: Immerhin die Kunstmeile Krems, aber dann fällt den Ausflugsanpreisern schon Bekanntes ein. Naturpark Geras, Loisium, Ruine Aggstein (no na!) und - erraten - die Brandner Schiffahrt.

Also, liebe Freunde von der Niederösterreich-Werbung: Ihr habt es geschafft - ich muss unbedingt die Brandner Schiffahrt ausprobieren. Vielleicht läßt sich ja an Bord das Geheimnis lüften, warum sie immer empfohlen wird, egal welches Motiv man hat.

Manfred Hluma

PS: Dass kein einziges Ausflugsziel mit fünf Sternen bewertet wird, zeigt von einer eigenartigen Zurückhaltung. Heißt das nun, dass die jetzt so bezeichneten Top-Ziele nur "Fast-Top-Ziele" sind oder warten auf uns noch unbekannte künftige Super-Top-Ziele, die dann auch fünf Sterne bekommen?

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hlumamanfred - 25. Mär, 10:15
Sehr interessant
Informativer Artikel. Ich wusste noch nichts von den...
Carlaa - 1. Mär, 00:08

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